Schon steht das Jahr am höchsten, was einen nächtlicherweise nicht an Alpträumen hindert. Immerhin kann man versuchen, sie umzudichten…
Mittsommeralptraum
Das wirre Haus steht kopf,
Der Himmel grau in Grau,
Und mit dem fremden Kind im Arm,
Gestohl’ner Jahre Pfand, vergessend,
Beschimpfst Du mich.
Wer warst Du, dass mein übervolles
Pantheon von Schreckgespenstern
Auch Du noch füllen musst,
Als wenn nicht Tag um Tag
Dein Fehlen Schmerz genug
Mir wär‘ gewesen.
Einst war ich eins,
Und meine Dunkelheit war
Einsam zwar, doch
Friedvoll Nacht,
Zwar aller Sterne bar,
Doch blieben Träume Träume,
Die ich durchfliegen konnte,
So ganz – ach – ohne all die Reue.
* * *
Kindheitserinnerungen
Ich säh so gern zurück,
Auf jene ferne Zeit,
Als hoch auf Bäume wir gestiegen,
Den goldnen Horizont ertastend,
Als wir durch wilde Felder
Kartongerüstet schritten,
Der Rittersmann, die Räuberbraut,
Und als die Woge unsers Bachs
Wie Meer sich teilte,
Piratenkönigin!
Die Brise weht nicht mehr,
Die Wellen sind zerschlagen
Und kaum ein Baum noch steht,
Den man erklettern könnte.
Wo ist dein rotes Haar,
Karottenmädchen,
Und deiner Augen Glitzer
Geblieben,
Heut leb ich grau in Grau
Tief in Grauhausens neuer Sitte,
Wo man den Rasen schert wie Bart,
Die Blümchen köpft, eh sie geblüht,
Und auch ein früher Tod
Uns alle Lieben nahm.
Und selbst die Träume sind
Nicht mehr so golden,
Wie sie einst blühten.
* * *
Reminiszenz
Es gäbe viel zu sagen
Was nicht wert
Zu denken ist.
Anscheinend können manche
Unserer Gedanken
Träg und listig doch und
Uns und allesamt sich
Täuschen.
Wir mögen noch so traurig
Sein. Und doch erbaut die
Lust zur Freude uns ein
Dünnes Haus aus Schatten,
Die in unserm Wahne
Sonnen sind.
Was wäre aber, wenn die
Tiere wären wie die Menschen
Sind? Manch schriller Schrei
Und Mordsgetöse stießen
Durch das All empor
In andere Gefilde.
In manchem Bilde einer
Zeit erblickt man es.
Die Evidenz der Eitelkeit
Erstickte es. Und alles außer
Mir und Dir empfing
Es schaurig taumelnd sicherlich
Nicht ungerechterweise.
Leise spricht die Wahrheit
Nicht für sich,
Und ich und Du
Und alle.
Immer wieder.
* * *
Anemone
Oh Sommertag.
Deiner grünen Auen
Anschauung am treibenden
Strome, seiner Gestade
Trauert mein Herz
Nach.
Wie traurig, dass ich Dich
Nicht mehr habe,
Meine Farbe ist deshalb
Dunkelblau.
Dir, mein Gemüt, scheint
Keine Dämmerung so fade,
Lindernd zu sein,
Jetzt, nun, nach dem
Sonnigen Tag: Nachtschwarz.
Alles liegt brach.
Dein Blütenkranz im
Sternenfeld zähmt manche
Kraft in mir. Deine Augen
Sind die uns unbekannten
Dolden der Zukunft.
Wie sollte ich fliegen?
Wenn Du mich nachts
In meinen Träumen, statt
Zu schlafen, quälst, kannst
Du doch nicht erwarten,
Dass ich Dich vergesse.
Roten Strähnen glaub ich
Trotzdem nicht.
Deine Flötenstimme
Verklang im Korn. Du
Schwiegst zu oft: Deine
Drohungen sind nur Fiktion.
Du warst scheußlich. Die
Wahrheit will ich gar nicht.
Die Kunst wäre, nicht
Zu welken. Nelken und
Rosen sind es ja schon.
Muß mein letzter Thron
Denn wirklich ein
Grabmal sein?
Die gelbe Blume Deiner
Haare blühte einstmals
Angesichts; nun im Schatten.
Nachtschatten, Erinnerung.
* * *