Ein musikalischer Lichtblick war für mich in den 90ern die Band „October Project“. Im Dunkel meines damaligen Lebens intonierte sie einen für mich damals völlig neuen Stil.
Das Jahr 1994 gehörte aus verschiedenen Gründen zu den biografischen Tiefpunkten meines Lebens, aber wie so oft bargen die dunkelsten Stunden den Keim für neues Licht, so entstand damals, an der Wende meines Lebens, erst die Idee, dann das wirkliche Nitramica Arts, inzwischen bald 25 Jahre alt.
Während ich in mir im Geist neue Bilder suchte, hörte ich, damals noch per Radio oder mit meinem spärlichen Studigeldern für meinen CD-Player erkauft, ein paar wenige Alben, darunter auch „Falling Farther in“ von October Project. Unvergessen bleibt mir die melancholische Glockenstimme Mary Fahl und sowohl Melodien wie auch Texte der Alben von „October Project“ sprachen mich damals – wie übrigens auch heute noch – unglaublich an; sei es in ihrem Hit „Return to me“, oder „Deep As You Go“, „Something More Than This“ wie auch „Sunday Morning Yellow Sky“: Die teils kristallinen Klänge, umspielt mit Mandola, Westerngitarre und Perkussion haben sich mir tief eingeprägt und wenn ich heute mal wieder nachts von den einstigen Zeiten träume, ist die Musik Teil davon.
Ich habe es lange sehr bedauert, dass die Band damals nach ihrem Album „October Project“ keine größeren neuen Werke mehr heraus gebracht hat und sich nach 1998 zerstreute. 2006 fanden sich einige der Bandmitglieder wieder für zwei Konzerte zusammen, woraus sich ein neues Schaffen ergab. Nach einigen Neubearbeitungen erschien im November 2015 „The Book of Rounds“, das den Alben der 90ziger aber kaum noch ähnelt.
Klang und Stimmung, aber auch Machart der Musik von „October Project“ haben sich deutlich gewandelt – man könnte ihr neues Album am ehesten als eine chorale Meditation über die Gedichte von Julie Flanders charakterisieren. Verglichen mit den Texten der 90ziger sind die Metaphern der Songtexte recht einfach, durchaus sphärisch, aber nicht mehr mit der bitteren Süße früherer Songs. Auch wirkt der Gesang eher gediegen choral und lässt den unverkennbaren stimmlichen Klang von Mary Fahl in den früheren Alben vermissen. Das ändert natürlich nichts daran, dass auch das neue „October Project“ sehr hörenswert ist, aber der Stil ist eben ein anderer: Chorgesang mit einfachen Formen, oft auch Kanons, ersetzt den früheren stark instrumentierten Folkrock. Das mag vielleicht auch dem Umstand geschuldet sein, dass Julie Flanders heute eher als Lyrikerin bekannt ist und als solche in den letzten Jahren teils die amerikanischen Bestsellerlisten der Frauenliteratur anführte. Blüten auf dem neuen Album sind „Light“, „Turn“, „Deep“ oder „Ready“.
Mir persönlich haben die alten Texte und Songs aber besser gefallen, der naiv-gläubige Optimismus, den das neue Album ausstrahlt, ist mir etwas zu einfach gestrickt. Trotz der wirklich sehr dezenten musikalischen Umsetzung scheint mir die Kitsch-Grenze durch die häufigen Rekursionen manchmal etwas überschritten. Das mag aber daran liegen, dass bei neoklassischer Chormusik bei mir durch andere Komponisten wie Eric Whitacre die Messlatte deutlich höher angesetzt ist als beim Genre Folkrock. Dieses konzertante Niveau erreichen die Lyrikvertonungen durch Emil Adler nicht ganz.
Immerhin, October Project zeigt einen beachtlichen Werdegang auf, von ihren Anfängen als New York City – Poprockband, über ihre gälischen Musikeinflüsse, bis hin zu einer quasi klassizistisch anmutenden „Chorlyrikgruppe“, die man durchaus als dichterisch-literarisch anspruchsvoll bezeichnen kann.