Segen auf Umwegen

Arche Noah, Regenbogen, Leuchtturm, Strand und Phönix - Wer auch immer diese Kirchenbank gemalt hat, er spricht mir aus dem Herzen (Foto: Martin Dühning)
Arche Noah, Regenbogen, Leuchtturm, Strand und Phönix - Wer auch immer diese Kirchenbank gemalt hat, er spricht mir aus dem Herzen (Foto: Martin Dühning)

Die inzwischen schon traditionelle Palmsonntagspilgerfahrt fand auch dieses Jahr statt. Palmzweige gab es auf Umwegen – diese erweitern aber die Ortskenntnis.

Ich hatte schon einen sehr deprimierten Artikel geschrieben und die Hoffnung aufgegeben, zu meinen alljährlichen Palmzweiglein zu kommen. Denn wir leben ja in seltsamen Zeiten. Ich weiß nicht, ob man in späteren Zeiten auf diese einmal zurückblicken wird mit Häme, mit Gleichgültigkeit oder mit Entsetzen. Eine Pandemie, wie sie in früheren Zeiten nicht unüblich war, hat die komplette „moderne“ Welt lahmgelegt – und dabei auch so manche bürgerliche Freiheit. Sicher, es macht nicht wirklich Sinn auf bürgerliche Freiheiten wie die Religionsfreiheit zu pochen, wenn dadurch Leben in Gefahr gerät, denn Leben ist der höchste Wert. Aber so sehr ich auch technikaffin bin, so wenig kann ich doch mit virtuellen Gottesdiensten anfangen. Ich beherrsche die Technik, vielleicht besser als so manch anderer, doch ist sie für mich nicht mehr als Illusionsmagie – und allem Anschein und meiner blühenden Fantasie zum Trotz kann ich durchaus zwischen geistigen Konstrukten und der Objektwelt unterscheiden. Und virtuell ist eben nicht echt, gerade im spirituellen Bereich. Da fehlt mir einfach der Heilige Geist in der Maschine. Nun ja, ich will es nicht ganz verdammen – ein virtueller Trost ist sicher besser als gar nichts.

Nun ist mein Leben schon seit Jahren auf spirituelle Fastenzeit umgestellt, denn anders als jüngere Generationen kann ich mit dem Vereins- und Eventchristentum, wie es sich in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt hat, überhaupt nichts anfangen. Menschenmassen und Volksfeste sind mir zuwider, ebenso das Herumkutschieren an Sonntagen, um irgendwo noch eine Eucharistiefeier zu finden. Ich ziehe Werktagsgottesdienste in sehr kleinem Kreis inzwischen diversen Sonntagsevents vor.

Insofern könnte man meinen, dass die aktuelle Situation mich nicht so sehr tangiert – und tatsächlich habe ich zur Zeit – auf meinem sehr niedrigen Niveau – eher mehr Kontakte als in Normalzeiten, weil sich auf einmal wieder Leute zu Wort melden, die mich längst vergessen hatten oder die glaubten, bislang nicht genug Zeit dafür zu haben.

Aber trotzdem, mir fehlt die Berührung des Herzens, auch im spirituellen Bereich. Ostern ohne Osternachtsmesse wird sehr weh tun. Und so fühlt sich das sehr ungesegnet an und bestärkt nur die Inseltendenzen – Life is an Island – die seit bald mehr als zehn Jahren mein Leben prägten.

Kirche Peter und Paul in Grießen am Palmsonntag 2020 (Foto: Martin Dühning)
Kirche Peter und Paul in Grießen am Palmsonntag 2020 (Foto: Martin Dühning)

Doch einfach aufzugeben bin ich nicht der richtige Typ – auf der Webseite der Seelsorgeeinheit Klettgau-Wutöschingen fand ich dann auch ein paar Worte, die mir neuen Mut machten, denn dort hieß es, Palmzweige wurden dieses Jahr trotz allem gesegnet. Und so nahm ich mein treues Radel und versuchte mein Glück wie jedes Jahr in Peter & Paul in Grießen. Dort begegnete ich (mit dem nötigen Sicherheitsabstand) denn auch anderen Leuten, übrigens gar nicht mal so alten, ebenso auf der Suche nach Palmzweigen. Offensichtlich bin ich nicht der einzige, dem sie etwas bedeuten, doch Palmzweige zum Mitnehmen fand ich in der Kirche keine – sehr wohl aber in der Nachbarkirche St. Katharina in Geißlingen, wo noch welche auslagen.

Kirche St. Katharina in Geißlingen am Palmsonntag 2020 (Foto: Martin Dühning)
Kirche St. Katharina in Geißlingen am Palmsonntag 2020 (Foto: Martin Dühning)

Vor der Kirche steht auch eine wunderschön bemalte Bank, mit einem zu dieser Sache wirklich passenden Spruch von Epiktet:

„Man darf das Schiff nicht an einen einzigen Anker und das Leben nicht an eine einzige Hoffnung binden.“ – Epiktet

Da hatte der Stoiker wohl recht um man sollte vielleicht hinzufügen: Man sollte nie Glaube und Zuversicht aufgeben – oder, wie es auf der bunten Bank auch noch geschrieben steht:

„Lasst uns festhalten an dem Bekenntnis der Hoffnung und nicht wanken; denn er ist treu, der sie verheißen hat.“ (Hebr 10,23)

So bin ich dann also doch noch zu meinem Palmsonntagssegen 2020 gekommen dieses Jahr. Und dass es noch andere Leute gibt, die wie ich nach Palmzweigen suchen, macht mir neuen Mut.

Über Martin Dühning 1529 Artikel
Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.