„Die Trockenheit bereitet uns große Probleme!“

Osterspaziergang von Luisa, Kara und Henry (Foto: Rosa Dudelspru)
Osterspaziergang von Luisa, Kara und Henry (Foto: Rosa Dudelspru)

Wir schreiben das Jahr 540 des zweiten Zeitalters. Neu-Nitramien bereitet die Osterfeierlichkeiten vor. Wir haben Vizekönigin Luisa zur Lage der Nation befragt.

Anastratin.de: Guten Abend, Frau Vizekönigin. Ostern steht vor der Tür, vielerorts wird es dieses Jahr ganz anders gefeiert werden als sonst. Wie sieht es in Ninda aus?

Luisa Amiratu: Ninda sieht zur Zeit sehr frühlingshaft aus. Ich komme gerade von einem wunderschönen Abendspaziergang mit meiner Lebenspartnerin Kara und ihrem Hundchen Henry IV., das war sehr hübsch. Und ja, Ostern steht vor der Tür! Wir freuen uns, dass wir Ostern letztlich wie gehabt feiern können, in unseren kleinen Kreisen. Unsere Gotteshäuser stehen offen und wir werden auch ein paar Osterbäume aufstellen. Lediglich bei einigen Importwaren wie Trockenhefe sind wir auf Lieferengpässe gestoßen, aber wir können den Kuchen zur Not auch synthetisieren. Insofern ist das ein lösbares Problem.

Anastratin.de: Warum gibt es keine Ausgangssperre in Ninda und Ventadorn wie anderorts im Universum?

Luisa Amiratu: Wir haben das bislang nicht nötig. Die Pandemie hat uns nicht erreicht und wir haben auch keinen Kontakt mit Außenstehenden. Was uns sonst zum Nachteil gereicht, die Isoliertheit Nitramiens, ist jetzt ein Vorteil: Es gibt keinerlei Veränderungen in unserem Alltag, außer, dass wir weniger unter fremden Mächten leiden müssen als sonst, momentan jedenfalls.

Anastratin.de: Also läuft alles rundum bestens, trotz Krisenstimmung überall sonst?

Luisa Amiratu: Natürlich nicht. Wir leben in gefährlichen Zeiten und da muss man vorsichtig sein. Aber wie gesagt, wir haben keine außerirdischen Kontakte, also wird uns die Seuche erst irgendwann auf Umwegen erreichen und wenn es soweit ist, können wir immer noch panisch werden. Jetzt haben wir erst mal andere Probleme.

Anastratin.de: Was für Probleme?

Luisa Amiratu: Na dieselben wie immer. Alle unsere Verbündeten sind schon seit vielen Jahren tot oder haben uns im Stich gelassen. Seit vier Dekaden, also eigentlich schon, seit ich Vizekönigin bin – es hat aber nichts mit mir zu tun – haben wir hier eine furchtbare Wirtschaftskrise, die haben wir immer noch. Nur stehen wir jetzt etwas besser da als vorher, weil es plötzlich vielen anderen auch schlimm ergeht. Dadurch geht es uns insgesamt besser, aber nur relativ betrachtet. Außerdem haben wir Sorgen mit dem Wetter. Es hat jetzt schon wieder monatelang nicht geregnet und unsere Zisternen sind leer. Alles, was wir gepflanzt und aufgeforstet haben wird uns so vertrocknen. Die Trockenheit bereitet uns große Probleme! Und es ist erst Frühling hier, noch nicht mal Sommer. Wirklich schlimm wird es, wenn es jetzt auch noch heiß wird. Dann haben wir wirklich ein ganz großes Problem. Und dabei haben wir gerade alles so schön repariert und erneuert.

Anastratin.de: Haben Sie schon mal an externe Unterstützung gedacht?

Luisa Amiratu: Ich wüsste nicht, wo die herkommen sollte, und überhaupt, was stellen Sie sich vor, Wunderheiler oder Regenmacher? Wir können Wasser schlecht von woanders her besorgen und sind froh, dass wir immerhin noch genug Trinkwasser haben. Das können wir aber unmöglich zum Bewässern verwenden. Das eigentliche Problem ist, dass wir die Zisternen im Winter nicht füllen können, weil sie der Frost sonst beschädigt. Nun hat es nach dem Winter aber nicht mehr geregnet und unsere Wasserspeicher sind schon, oder noch, leer. Wir bräuchten nur ein ganz klein wenig Wasser, so etwa eine Woche Regen, das würde schon reichen. Wir werden dafür beten. Es ist ja Ostern.

Anastratin.de: Demnächst steht auch ein großes Jubiläum bevor, werden Sie das feiern?

Luisa Amiratu: Wir werden das in gewohntem kleinem Rahmen feiern, für ganz große Feste ist jetzt aber glaube ich nicht der richtige Zeitpunkt – falls es richtige Zeitpunkte überhaupt gibt. Ich glaube eher, man muss sie sich schaffen, aber dazu haben wir zur Zeit nicht die Kraft und die Mittel. Also wird es eine eher bescheidene Feier werden, was aber auch hübsch sein kann. Ich frage meine Berater und wir entscheiden das dann nach Ostern.

Anastratin.de: So eine kleine Feier wie die zu ihrem siebzigsten Geburtstag?

Luisa Amiratu: Ja, diese Feier war sehr schön, sie hat mich wirklich berührt und war für mich und meine Winzigkeit genau richtig, aber etwas größer sollte es zum Staatsjubiläum schon werden. Vielleicht machen wir auch eine Feiertagswoche mit mehreren kleineren Anlässen. Ich glaube, man muss da heutezutage flexibel sein. Ich werde noch König Miloni fragen, vielleicht veranstalten wir auch zusammen ein Turnier. Aber das hängt von vielen Faktoren ab, wir müssen uns da erst beraten.

Anastratin.de: Sie blicken jetzt auf 40 Jahre Regentschaft zurück und haben in dieser Zeit unglaublich viel geleistet. Haben Sie noch weitere Pläne oder sind Sie jetzt an einem Punkt angelangt, wo Sie der Meinung sind, Sie haben genug geleistet?

Luisa Amiratu: Man ist nie fertig im Leben, Herr Kawomba, das wissen Sie genausogut wie ich! Und ich bin auch als Regentin hier noch lange nicht fertig. Natürlich habe ich noch viele andere Pläne. Es gibt hier auch noch viel zu reparieren und wer weiß, welche Chancen sich für uns ergeben durch die vielen Veränderungen, die gerade in der großen weiten Welt geschehen. Gut möglich, dass wir diesmal sogar mal was davon haben. Vielleicht können jetzt wieder Wunder geschehen?

Anastratin.de: Es gibt eine Menge dunkle Prophezeiungen in Ninda, einige davon scheinen sich gerade zu erfüllen. Macht Ihnen das derzeit keine Angst?

Luisa Amiratu: Sie müssten dann schon etwas genauer werden, das Problem mit diesen Prophezeiungen ist, dass sie immer so vage sind, dass man nahezu alles da hineininterpretieren kann. Nehmen wir mal Jorimirs berühmte Prophezeiung „Hüte Dich vor zwei“ – was soll das heißen? Ist eine Zahl gemeint, eine Hausnummer oder ein Name? Keiner weiß es, es bedeutet alles und nichts, genau wie diese Prophezeiung „Gefahr kommt aus dem Osten“. Einige dieser sogenannten Prophezeiungen sind zudem wilde Gerüchte und pure Erfindungen untergangssüchtiger Leute, wie diese angebliche Prophezeiung, dass ich die letzte Vizekönigin von Südninda sein werde. Ich habe alle Bücher in ganz Ninda danach absuchen lassen, es steht nirgendwo geschrieben und bevor Valens Vizekönig war, war davon nichts bekannt. Pure Spinnerei ist das, glauben Sie mir. Diese Orakeleien bedeuten nichts, wenn man sich nicht wahnsinnig machen lässt davon und sie damit selbst erfüllt. Und der Todesengel, glauben Sie mir, der hält sich sowieso an keine Orakel, der kommt, wann immer er will, und dann ist es gleichgültig, ob Sie eine Prophezeiung haben oder nicht. Also nein, es macht mir keine Angst, es macht mich nur wütend. Als Lebenshilfe taugen diese komischen Sprüche eh nicht, wenn Sie das Richtige tun, ist es nämlich völlig egal, wie sich die Sache entwickeln wird, das Richtige ist nämlich das Richtige, Sinn macht Sinn, egal wie die Sache letztlich ausgeht. Wir leben im Hier und Jetzt, die Vergangenheit sollte man den Historikern überlassen und die Zukunft lieber den Träumern, nicht den Wahrsagern.

Anastratin.de: Frau Vizekönigin, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Luisa Amiratu: Danke ebenso, gerne wieder.

Das Interview führte Nils Kawomba.

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Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.