Mit der Wirtschaft steht es nicht gut in Nitramien. Kara Delica kämpft als Handelsagentin in Südninda tapfer gegen den Trend.
Anastratin.de: Frau Delica, seit unserem letzten Interview ist viel passiert. Wie laufen die Geschäfte?
Kara Delica: Die Geschäfte laufen derzeit leider eher mau. Der Handelsmagistrat hat den Fernhandel eingestellt und unsere Währung hat massiv an Kaufkraft verloren. So bleibt mir und meinen Leuten nur noch der Binnenhandel. Und da ist auch nicht viel los, weil wir wegen dieser schrecklichen Dürre in Ninda große Not haben, über die Runden zu kommen.
Anastratin.de: Sie sind nun eigentlich schon längst im Pensionsalter. Wäre das nicht ein geeigneter Augenblick, in den Ruhestand zu gehen?
Kara Delica: Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist. Das zur Zeit ist nicht schön. Ich war schon sehr traurig darüber, wie ich als salomenische Botschafterin aufhören musste. Wenigstens diesen Job will ich mal erfolgreich beenden – also nicht jetzt und nicht so. Außerdem fühle ich mich noch ein wenig fit. So lange es noch geht, mache ich weiter.
Anastratin.de: Es sieht aber nicht so aus, als ob sich die Lage in absehbarer Zeit bessern würde.
Kara Delica: Dann müssen wir halt so lange weitermachen, bis es wieder gut wird. Wir tun halt, was wir können. Es gibt auch einige Hoffnungszeichen. Was wir in Ninda auf den Plantagen gepflanzt haben, mag zwar momentan dahindorren, aber wir haben ja noch viele Wildkräuter. Da haben wir eine wunderschöne Ernte eingebracht.
Anastratin.de: Sie spielen auf die Löwenzahnernte an und die neuerliche Geleeproduktion…
Kara Delica: Ja, und da können wir doch sehr zufrieden sein! Wir haben über 30 Gallonen Cramaillotte produziert und damit können wir wunderbar Handel treiben. Das kriegen Sie so nirgendwoanders!
Anastratin.de: Angesichts der globalen Krisen anderorts dürften Sie derzeit aber sowieso außer Konkurrenz sein. Wäre jetzt nicht ein geeigneter Zeitpunkt in die Textilindustrie wiedereinzusteigen, beispielsweise mit der Produktion von Schutzmasken? Da hätten Sie sicher reißend Absatz.
Kara Delica: Inzwischen ist unsere heimische Textilindustrie leider elendig eingegangen. Diese jahrelange Flutung mit Billigwaren aus dem Ausland hat dazu geführt, dass wir keine inländischen Betriebe mehr haben, weder was Stoffproduktion, noch was Verarbeitung angeht. Auch die Textilmessen, die ich vor Jahren angestrengt habe, haben daran leider nichts ändern können. Deshalb können wir da nichts mehr produzieren. Es würde viel zu viel kosten, bis wir die Textilindustrie wieder aufgebaut hätten und dann würden wir bestimmt wieder mit Billigprodukten aus dem Ausland überschwemmt. Das ist die Sache nicht wert. Sie müssen mal überlegen: Nitramien hatte seinen Schwerpunkt ohnehin eher auf Kunsthandwerk und IT-Industrie – da ist der Markt auch total zusammengebrochen, obwohl wir da die besten waren. Wenn wir schon da keine Chance hatten, dann erst recht nicht im Textilsektor. Es ist zur Zeit recht hart, sich überhaupt über Wasser zu halten. Wir können nicht noch groß produzieren. Ich bin Handelsagentin und Verlegerin, nicht Fabrikantin, ich produziere nicht, ich handle mit Rohstoffen und Waren.
Anastratin.de: Womit handeln Sie denn dann zur Zeit?
Kara Delica: Zur Zeit habe ich die meisten meiner Mitarbeiter in Urlaub geschickt, weil wir wirklich nicht viel zu handeln haben. Rohstoffe gibt es kaum, fertige Waren auch nicht. Wir verkaufen momentan hauptsächlich noch Marmelade und Tees aus unseren Lagern, das läuft binnenwirtschaftlich sehr gut, aber weil wir keine neuen Waren aus dem Ausland importieren dürfen, haben wir da demnächst Lieferengpässe. Wenn wir produzieren müssen, dann wohl tatsächlich eher Tees und Marmeladen. Das läuft recht gut. Wir haben ein paar neue Sorten geplant, mal schauen, ob es was wird.
Anastratin.de: Sie spielen auf die neuen Plantagen der Vizekönigin an, die künftig Kiwis liefern sollen.
Kara Delica: Ja, Luisas Agrarexperten meinen, das könnte tatsächlich etwas werden mit den Kiwis, mit den Feigen hat es ja leider nicht geklappt, weil uns Wühlmäuse die meisten Bäume zerstört haben. Dabei wären Feigen auch ein tolles Handelsgut gewesen. Wir würden auch gerne noch ein paar Obstplantagen einrichten, haben aber nicht genug Geld, um die Pflanzen zu importieren – und eben fast gar kein Wasser, um sie zu bewässern. Aber wir planen noch ein bisschen Orangenmarmelade, Morellengelee und Ginger Jam, das dürfte unsere heimische Bevölkerung sehr mögen. Diese Rohstoffe müssen wir aber erst importieren und das geht derzeit nicht.
Anastratin.de: Gibt es nicht auch jenseits von Agrarprodukten irgendwelche Handelsgüter?
Kara Delica: Wir treiben noch ein bisschen Handel mit Papeterie. Aber auch das Postsystem liegt darnieder, es schreibt ja kaum einer mehr, darum werden wir auch die Briefumschläge und Postkarten nicht los, oder das wunderschöne Geschenkpapier. Zuletzt hatte ich sogar Temmer Jan, den berühmten westländischen Schmiedemeister auf dem Markt, aber selbst seine schönen Schmiedewaren ist er nicht losgeworden und den Schmuck und die Edelsteine wollte auch niemand kaufen. Die einzige Person, die hier sonst erfolgreich noch ihre Waren an den Mann bringt, ist Telia Atanavi, ihre Steinmetzarbeiten und Heilkräuter sind sehr gefragt, aber sie verkauft nur selten auf meinen Märkten, das hat sie ja auch nicht nötig, die Leute kommen zu ihr. Sonst bliebe nur noch Kierans Keramik, aber der Bedarf an Blumenvasen und Tonkrügen ist sehr beschränkt. Auch Kieran hat ein eigenes Geschäft in Saint Patrick, er verkauft selten auf meinem Markt.
Anastratin.de: Wo Sie doch Inhaberin eines Verlagshauses sind, kam Ihnen nie die Idee, mit Büchern zu handeln?
Kara Delica: Echt jetzt, mit Büchern, in Nitramien? Sie wissen schon, dass es in Nitramien mehr Bücher als Grashalme gibt? Und wir haben viele Wiesen. Bei all den Büchern und öffentlichen Bibliotheken hier, wer sollte denn jetzt noch weitere Bücher von mir kaufen? Und worüber? Soll ich etwa meine Memoiren verkaufen? (lacht)
Anastratin.de: Das Fairhandelshaus im Foriensis-Sektor musste nun wegen des Shutdowns seine Schließung ankündigen, wie sieht es in Nitramien aus?
Kara Delica: Mit dem großen Fairhandelshaus im Foriensis-Sektor treibe ich eigentlich nicht direkt Geschäfte, das betrifft mich zum Glück nicht wirklich. Es ist natürlich schade drum, aber hier läuft der faire Handel noch gut, abgesehen mal von dem Umstand, dass uns derzeit die Devisen fehlen und er gerade in Hinsicht von Devisenbeschaffung nie profitabel war. Drum habe ich da zuletzt auch keine Waren mehr geordert und wir verbrauchen gerade unsere Bestände. Für unsere einheimische Bevölkerung sind diese Luxuswaren bei der aktuellen Inflation aber meist zu teuer und aus dem Ausland haben wir keine Kunden. Wenn überhaupt laufen die Geschäfte mit Tee und Kaffee, aber unser Sortiment ist ein anderes als das im Foriensis-Sektor. Daher gab es nicht sehr viele Überschneidungen und ich möchte da zur Zeit auch nicht ordern.
Anastratin.de: Bald feiert die Neu-Nitramische Konföderation ihr 540jähriges Bestehen. Ergeben sich da nicht ein paar Handelschancen?
Kara Delica: Doch, ich hoffe natürlich, dass ich durch die Feierlichkeiten ein bisschen mehr Kundschaft erhalte. Gewürze und auch Papeterie werden da sicher mehr gefragt sein. Außerdem wurde mein Schiff angefragt für Charterfahrten im Rahmen der Feierlichkeiten, das gibt zumindest ein bisschen mehr Geld. Aber zuviel Hoffnung setze ich da nicht hinein, die Wirtschaft liegt darnieder und die meisten Leute müssen sparen. Und Gäste aus dem Ausland sind auch nicht zu erwarten und wenn, kämen sie nicht als Kunden, sondern als eingeladene Gäste, die kaufen nichts.
Anastratin.de: Ihre Lebenspartnerin Luisa hat ihren Geburtstag gefeiert, auch dank Ihrer aktiven Mithilfe. Wie kamen Sie an die schönen Kunstwerke?
Kara Delica: Wir haben im Ausland liebe Freunde, meine Feenkolleginnen Dana und Juna haben eine tolle Künstlerin ausfindig gemacht, die haben Luisa tolle Malereien aus dem fernen Kaiserreich Styn geschickt. Rosa und Una haben dann noch eine Jazzband organisiert und so konnten wir für Luisa eine tolle Martinee gestalten. Luisa hat sich riesig darüber gefreut.
Anastratin.de: Warum haben Sie Ihren eigenen Geburtstag eigentlich nicht gefeiert?
Kara Delica: Och nee… das wär doch auch gar nicht nötig gewesen… ich freue mich, wenn ich mit Luisa feiern kann, ich brauche kein extra Ding. Und mein größtes Geburtstagsgeschenk war sowieso, dass meine Tochter Ciel jetzt das Kapitänspatent hat.
Anastratin.de: Ja, sie ist die erste Nitramierin, die ein Langstreckenfrachterkapitänspatent hat. Sie hat aber noch kein Schiff, welches sie befehligen kann.
Kara Delica: Ich bin sicher, sie wird mal eins kriegen, wenn die Zeiten besser sind. Und dass sie besser werden, darauf müssen wir einfach hoffen. Sie ist eine Glücksfee, das wird schon klappen. 😉
Anastratin.de: Frau Delica, wir danken für das Gespräch.
Kara Delica: Bitteschön.
Das Gespräch führte Nils Kawomba.