Hier geht es um das Ende aller Dinge – wie es in „The Good Place“ thematisiert wird – und Vorsicht: Spoiler lassen sich dabei nicht vermeiden.
Ein großer Vorteil fiktionaler Literatur ist, dass sie quasi alle denkbaren Möglichkeiten durchspielen kann, die Betonung liegt auf „spielen“, nicht wegrationalisieren, sofern kann sie gerade auch da metaphysisch sein, wo es die Religionswissenschaft besser nicht sein sollte: Bei der Frage nach dem Ende aller Dinge, bzw. dem Danach.
„The Good Place“ war eine amerikanische Comedy-Serie, die in vier Staffeln von 2016-2020 verschiedene Spielarten des Jenseits behandelte. Die Story startet mit der kürzlich verstorbenen Eleanor Shellstrop (Kristen Bell), die augenscheinlich im Himmel, „The Good Place“, fehl am Platze erscheint. In ihrem Erdenleben war sie wenig vorbildlich gewesen. Ihr „Seelenverwandter“, der nerdige Moralphilosophieprofessor Chidi Anagonye (William Jackson Harper) scheint nicht wirklich passend gewählt zu sein, sie findet sich in einem absurden „Traumhaus“ voller Clownsbilder wieder und in einer bizarren Nachbarschaft, in der fast jeder Laden „Frozen Joghurt“ und Tierwelpen anbietet. Diese von einem Architekten namens Michael (Ted Danson) fehlkonstruierte „Beste aller möglichen Welten“ wird dann im Folgenden Schauplatz für allerlei absurde Verwicklungen frei nach Sartres Motto: „Die Hölle, das sind die Anderen“. Selbiges kennt man schon von anderen popkulturellen Fernsehserien, die mit metaphysischen Kulissen arbeiten – meist mehr oder weniger offen atheistisch (und atheistisch wirkt es fast immer, wenn man religiöses Symbolgeröll fiktional neu arrangiert). Aber was die Serie aus dem durchaus begrenzten Rahmen herausholt allein durch gutes Skripting und die schauspielerischen Fähigkeiten der Akteure ist bemerkenswert. Kristen Bell und Ted Danson geben ein komödiantisches Duo ab, was an die besseren Zeiten von Doctor Who erinnert. (Und man würde sich im Nachhinein fast wünschen, Kristen Bell wäre als 13ter Doctor gecasted worden.) In homöopathischen Dosen wird dabei noch ethischer Stoff behandelt, meist sehr augenzwinkernd.
Allerdings wächst die Serie in den Folgestaffeln dann deutlich über sich hinaus und spielt diverse moralphilosophische Fragestellungen durch, vom häufiger zitierten „Trolley Dilemma“ von Philippa Foot, was in der Serie slapstickartig ad Absurdum geführt wird über diverse ethische Ansätze zur Entscheidungsfindung – letztlich geht es um die Fragestellung, was „böse“ und was „gut“ ist, wie sich dies quantifizieren lässt und inwiefern dies überhaupt eine adäquate Kategorisierung gegenüber Menschen als Personen ist. Wirklich interessant ist aber die abschließende Antwort, die deutlich existenzialistisch ausfällt: Menschen sind Beziehungswesen und werden als solche, von ihrer undelegierbaren Willensfreiheit abgesehen, durch eben diese Beziehungen charakterisiert und erst zu vollwertigen Personen. So werden die Beziehungen der Hauptprotagonisten zum eigentlich tragfähigen Netz, mit dem sich selbst die Hölle überwinden lässt. Und insofern erweist sich selbst eine Trennung von Diesseits und Jenseits als reversibel, da Beziehungen als Eukairos letztlich nicht an physikalische Zeit gebunden sind, keine logische chronologische Abfolge, sondern mehr eine narrative Struktur bilden (denn menschliches Erleben vollzieht sich in Geschichten), was in der Serie von Michael als „Jeremy Bearimy Timeline“ bezeichnet wird. In bemerkenswerter Weise wird in den Staffeln 2, 3 und 4 dann auch noch das katholische Konzept des Purgatoriums (Fegefeuers) exemplifiziert und eine Trennung zwischen dem irdischen Leben und der allgemeinen personalen Existenz infrage gestellt.
Das Ende der Serie beschäftigt sich dann nochmals ausgiebig mit der Frage nach dem Charakter der Ewigkeit, bzw. ihrem mangelnden Sinngehalt. Diese Frage wird in billigen Jenseitsvorstellungen meist ausgeblendet: Ewigkeit raubt Menschen ihre Einzigartigkeit, indem sie die Existenz zerdehnt und sinnentleert. Das gilt nicht nur für die Hölle, sondern auch für den Himmel, denn auch eine endlose Reihung von optimalen Zuständen löst nicht das Problem der mangelnden Relevanz, die sich durch ein ewiges, unsterbliches Dasein ergäbe. Da es in „The Good Place“ nicht wirklich einen guten Gott gibt, stattdessen ist der wahre Himmel ziemlich ungelenkt – kann dieser nicht die Sinnleere füllen – interessant ist die „Lösung“ für das Sinnproblem dennoch, die am Schluss vorgestellt wird:
Der wahre „Good Place“ ist keine Endstation, wo die Seelen zu ewiger Existenz verdammt sind (das wäre nämlich eher die Hölle), sondern eine Option, die sie wählen können, solange sie dazu als Person das Bedürfnis haben. Wenn sich ihre Existenz erfüllt hat, nach vielen Ewigkeiten, dürfen sie den „guten Ort“ wieder verlassen, durch eine Tür, wenn sie bereit sind. Ganz neu ist diese Idee nicht, schon im Spielfilm „What dreams may come“ aus dem Jahre 1998 wird gezeigt, dass der Himmel nicht als eine Endstation zu denken ist, sondern man ihn freiwillig auch wieder verlassen kann, allerdings bleibt der 1998er-Film noch sehr in den Versatzmotiven der religiösen Muster befangen, derer er sich bedient, und damit wird einmal mehr die westliche Vorstellung von der Seelenwanderung und Wiedergeburt bedient, die das Sinn-Problem, welches sich aus einem ewigen Kreislauf ergibt, aber auch nicht wirklich löst.
„The Good Place“ ist sich dessen bewusst, und das Verlassen ist daher auch nicht als Wiedergeburt misszuverstehen, es ist tatsächlich eine Auflösung der Existenz, wenn alle Pfade gegangen und alle sinnvollen Möglichkeiten erprobt wurden. Als solche Auflösung und Aufhebung der Existenz ist sie auch als endgültig zu verstehen, wenngleich die Beziehungen, welche die Menschen als Person prägen, zeitlos sind, weshalb die Menschen existent bleiben und präsent werden, indem man sie erinnern kann – wohlgemerkt: Als Erinnerung, als Teil einer Geschichte, nicht als soliptische Person. Wenn sich dann die meisten Hauptprotagonisten in der letzten Episode der vierten Staffel dann auch so verabschieden, mit für eine Comedyserie geradezu bitterer Süße, rundet dieser Abschluss dann die Serie dann doch ab und man kann sagen, die „The Good Place“ hat mit der Folge „Whenever You’re Ready“ einen sehr würdigen Abschluss erhalten, was man leider nicht von allen Serien sagen kann, die, gerade wenn sie erfolgreich sind, durch Verlängerungen manchmal so lange zerdehnt werden, bis sie in ihrer Substanz nicht mehr kenntlich sind.
Inhaltlich wäre noch anzumerken, dass die damit vermittelte Allegorie darüber, wie man sich einen wahren Himmel vorzustellen hat und besonders, was Ewigkeit bedeutet, dem christlich-biblischen Himmel näherkommt als diverse platte Vorstellungen von einem Paradies als einem Ort zeitlich endloser Seeligkeit. Ewigkeit bezieht sich nämlich auf den Eukairos, nicht auf die physikalische Zeit, und in diesem Sinne ist dann auch Psalm 84 zu verstehen, wie er in neueren Übersetzungen treffender eingedeutscht ist mit: „und heimkehren werde ich ins Haus des HERRN für lange Zeiten“ (Ps 84,3) oder das Johannes-Evangelium, wenn es Jesus sagen lässt: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10).