Wir schreiben das Jahr 566 a. C. nach dem Zentralkalender. Wir haben Vizekönigin Luisa in ihrer Residenz einen sommerlichen Besuch abgestattet.
Anastratin.de: Guten Tag, Frau Vizekönigin. Sie regieren jetzt im 66. Jahr als Vizekönigin von Südninda und in den letzten Wochen und Monaten war einiges los. Wie ist ihr Bericht zur Lage der Nation?
Luisa Amiratu: Die vergangenen Monate waren katastrophal und damit für mich sehr herausfordernd. Erst hatte wir diesen Beinaheuntergang des altdunischen Reiches, dann diese furchtbare Seuche, deren Folgen uns noch mehrere Nindajahre beschäftigen werden. Als persönlich besonders bedrückend empfand ich, dass ich wochenlang in meinem Schloss in Milony Island faktisch eingesperrt war wegen der Ausgangssperre. Da habe ich erst gemerkt, dass ich dieses Schloss schon vor Jahren dringend hätte umbauen sollen. Es ist auf die Bedürfnisse meiner asketischen Vorgänger zugeschnitten, besonders der Wohntrakt ist viel zu klein. Aber bedeutsamer ist ja, wie schlimm es in der Neu-Nitramischen Konföderation zugegangen ist.
Anastratin.de: Wie sieht es denn in Ihrem Regierungsbereich aus? Inzwischen ist die Seuche ja vorüber, wenngleich es merkliche Folgeschäden gibt.
Luisa Amiratu: Besonders Probleme bereiten uns die Raumflotten, die aber nicht in meine Zuständigkeit fallen. Hier wird es eine Weile dauern, bis die personellen Schäden behoben sind. Es hat besonders viele unserer Eliteverbände getroffen. Die 12. Raumflotte ist stärker betroffen, als die 10. Raumflotte, weil diese sehr stark automatisiert ist. Die orbitalen Verteidigungsanlagen sind komplett intakt. Insofern ist Ninda sicher. Die 11. Raumflotte, unsere Handelsflotte ist weitgehend wieder in Betrieb, was uns sehr geholfen hat. In Südninda hat sich die Nationalgarde dagegen soweit erholt, dass ich die lokalen Schäden weitgehend beheben konnte. Wir konnten den Wumbelwald zurückdrängen, die Plantage von Petersgarten wieder in Betrieb nehmen und Nova Valentia in seinen Kernbereichen. Auch Eostre habe wir saniert, obwohl das nicht in meine Zuständigkeit fällt. Nun droht uns aber eine neuerliche Hitzewelle und unsere Wasserreserven sind begrenzt. Mehr Anbauflächen können wir also nicht wiederherstellen, wir müssen schauen, dass wir die vorhandenen durch eine mögliche Dürrephase retten.
Anastratin.de: Intergalaktisch droht eine Geldentwertung und eine Teuerung von nie gekannten Ausmaßen, ist Südninda darauf vorbereitet?
Luisa Amiratu: Südninda ist eine sehr ländliche, flächenmäßig große, aber moderat besiedelte Fläche, die sich meistenteils selbst versorgen kann in den Sommerjahren. Da droht uns noch keine Gefahr. Weniger gut sieht es für die Metropolis von Ventadorn aus, weil das eine hochtechnologisierte Metropole ist, die dringend Spezialgüter von außen benötigt, wir können die nicht herstellen. Wir fahren schon seit Jahren eine Energiesparpolitik, sodass die Mehraufwendungen dennoch moderat ausfallen dürften, aber besonders die 12. Raumflotte braucht permanent Spezialteile, diese werden sich verteuern. Zudem ist unser Medizinalaufwand exorbitant, das hat sich durch die Seuche nochmals verschlimmert. Wir können diese Krankheiten leider nicht heilen mit den Kräutern, die wir in Südninda anbauen. Abgesehen davon hat die Nationalbank aber den richtigen Schritt getan, und den nitramischen Denar endlich von den intergalaktischen Währungen abgekoppelt. Das erspart uns eine Inflation im Binnenhandel. Ich habe auch die Devisen von Südninda weitgehend umgewandelt in Silberwährung, das dürfte unser eigenes Währungssystem auf Jahre hin stabilisieren. Mehr kann ich als Lokalpolitikerin nicht tun.
Anastratin.de: Wie sieht es mit dem altdunischen Reich aus? Werden Sie es stützen, wenn nötig?
Luisa Amiratu: Obwohl unsere Beziehungen in der Vergangenheit eher angespannt waren, werden wir natürlich helfen, wenn wir gebraucht werden. Allerdings bin ich, wie gesagt, Lokalpolitikerin. Das ist Sache der Legaten. Ich mische mich eigentlich nur ein, wenn die Belange meiner Hoheitsgebiete betroffen sind.
Anastratin.de: Das könnte sehr schnell der Fall sein, zumal bei dem feindlichen Umfeld, in dem sich Ninda befindet.
Luisa Amiratu: Wie gesagt, bin ich Lokalpolitikerin, das ist Sache der Legaten. Zudem kann ich nicht einfach mit der vizeköniglichen Marine in den dunischen Altlanden anlanden, das muss immer mit dem Rat der Triarchie abgeklärt werden. Wenn Sie wissen wollen, was Nitramien hier zu tun bereit ist, müssen Sie einen Legaten interviewen, keine Vizekönigin.
Anastratin.de: Im Juni haben Sie zum ersten Mal seit langem wieder in größerem Maße eine Ernte einfahren können und verarbeiten lassen. Wie steht Südninda wirtschaftlich da?
Luisa Amiratu: Die Kirschenernte war dieses Jahr erstmals seit vielen Jahren wieder merklich, aber bei weitem nicht so gut wie in der altvorderen Zeit. Damals gab es so viele Kirschen, dass man diese als Symbol des Wohlstands sogar auf die Geldscheine drucken ließ, zusammen mit den Johannesbeeren. Wir konnten nur etwa 45 Nindagalonen Kirschmarmelade herstellen, das ist ein 50stel der damaligen Ernte, obwohl wir inzwischen vier Plantagen haben statt nur einer. Aber es ist ein Achtungserfolg und wird dabei helfen, dass wir uns selbst versorgen können. Gut sieht es bei unseren anderen Obstplantagen aus. Hier wird die Ernte wohl größer ausfallen. Vielleicht bekommen wir ja in diesem Jahr zum ersten Mal Weintrauben und Kiwis. Wer weiß?
Anastratin.de: Müssten Sie nicht, um der Selbstversorgung willen, mehr Gemüse anbauen?
Luisa Amiratu: Ich persönlich finde Gemüse eher widerlich, das ist ja gar nicht süß. Wir haben ja schon genug Bitterkräuter. Abgesehen davon ist Gemüse sehr wasseraufwendig, das würde unser Bewässerungssystem überfordern. Wir haben uns eigentlich mehr auf Obst spezialisiert, besonders solches, was wenig zusätzliche Bewässerung benötigt. Außerdem ist Gemüse kaum lagerbar. Gemüseanbau findet bei uns daher nur in sehr geringen Ausmaß statt und das wird auch so bleiben. Hauptsächlich haben wir Topinambur in Reserve, falls eine Hungersnot droht. Ansonsten haben wir ja noch die Notreserven der Raumflotten.
Anastratin.de: Wie sieht es sonst wirtschaftlich aus?
Luisa Amiratu: Die Seuche hat unseren Binnenhandel gründlich ruiniert. Alle geplanten Handelsmessen mussten ausfallen, der Ursulinenmarkt war wochenlang geschlossen. Von daher ist es nicht wirklich erstaunlich, das nicht wirklich viel lief. Was ich tun kann ist, durch staatliche Projekte die Nachfrage aufrecht zu erhalten. Derzeit sind vor allem neue Lagersysteme geplant. Lokomotiven werden auch nicht nachgefragt, wir reparieren da aktuell nur. Ein Langzeitprojekt von mir ist, das Kunstgewerbe hier wieder dauerhaft zu etablieren. Da machen wir hier viele kleine Fortschritte. Aber es sind nur sehr kleine Fortschritte. Wir haben zu wenig Fachkräfte für mehr. Außerdem haben wir kaum Nachfrage von außen. Sehr schön ist, das wir einen Kunsttausch mit einem fernen Kaiserreich am Laufen haben. So viele schöne neue Kunstwerke sind da dazugekommen. Da machen wir bald mal eine große Ausstellung!
Anastratin.de: Sie haben Ihr 60. Thronjubiläum noch nicht gefeiert, kommt da noch was?
Luisa Amiratu: Während einer Pandemie und bei allen diesen anderen Katastrophen war ans Festefeiern nicht zu denken. Ich muss offen lassen, ob ich in nächster Zeit ein Fest feiern kann. Angesichts der drohenden Hitzewelle ist das wohl eher unwahrscheinlich. Das Feiern großer Feten ist aber auch keine nitramische Tradition. Viele kleine schöne Momente im Alltag sind hier geliebter als große Parties. Das lässt sich auch leichter umsetzen: Den Moment feiern. Das ist das Ziel!
Anastratin.de: Frau Vizekönigin, wir danken für das Gespräch.
Luisa Amiratu: Gern geschehen, bis zum nächsten Mal!
Das Interview führte Nils Kawomba.