Neu geschmiedet: Rings of Power als Serie

Neuseeland, eine beliebte Kulisse für Fantasy-Filme (Foto: Tyler Lastovich via Pexels)
Neuseeland, eine beliebte Kulisse für Fantasy-Filme (Foto: Tyler Lastovich via Pexels)

Was hat das Schmieden der Ringe dem dunklen Lord Sauron eigentlich eingebracht? Im Rückblick muss man sagen: nicht sehr viel, sehr hoher Preis, letztlich kein Gewinn. Will die Amazon-Serie nicht genauso enden, muss sie liefern.

Und liefern muss Amazons neue Monumentalserie „Rings of Power“ Antworten zu den Ringen der Macht, will die Serie ihrem Titel gerecht werden, eine Genese muss sie liefern, plausible Anfänge – denn das Ende steht ja schon fest – und es endet für alle Beteiligten eigentlich nicht gut, nicht für die Ringträger, besonders aber nicht für die Ringschmiede, Sauron allen voran.

Wer ist hier der Bösewicht?

Aus diesem Blickwinkel betrachtet liefert aber zumindest die Amazon-Serie doch einiges: Es fängt viel an, es beginnt allerorten, vielsträngig, viel hilft viel, mannigfaltig, auch ethnisch vielfarbig, eine wahre Impressionsflut – das ist mehr, als manche Kritiker sich erhofft hatten, die sich aber oft zu sehr an Peter Jacksons Fantasykriegsfilmen orientieren und am Rollenspiel-Fandom und zu wenig an der eigentlichen literarischen Vorlage Tolkien, bei dem sowohl Gut wie auch Böse eben auch manchmal ambiguin sind und in dessen Romanen die eigentliche Hauptrolle Antihelden spielen. Diesen Aspekt wiederum hat die Amazon-Serie adäquat übernommen – und so müssen sich gerade die Kriegerhelden-Elben einige kritische Fragen gefallen lassen bezüglich ihrer genretypischen Arroganz, ihren überaus opportunistischen Methoden, die Sauron nicht nur in der ersten Staffel der Amazon-Auslegung erst Tür und Tor öffnen, das Königreich Mordor zurückzuerobern. In diesem Lichte wirkt der „dunkle Herrscher“, als er in der Schlussepisode offenbar wird, dann gar nicht mehr ganz so eindeutig böse, wie das manche gerne gehabt hätten. Sieht man von bitteren Vorwürfen und seiner dunklen Vergangenheit ab, lässt Staffel 1 offen, wie Sauron intern wirklich tickt. Vielleicht meint er es ja wirklich eigentlich gut und wird von den ziemlich egoistischen Elben nur gründlich missverstanden und daran gehindert, sich zum Guten zu wandeln? Es ist wohl Absicht, dass die Entscheidung dem Zuschauer überlassen wird.

Ein eindeutig dunkler Lord fehlt, obwohl er erwartet wird. Es scheint viele Kritiker zu enttäuschen, denn man möchte da so gerne auf die Vorlage pochen und das „Lore“. Aber auch bei Tolkien ist Sauron nicht böse von Anfang an und gerade in seinem Auftreten im zweiten Zeitalter ziemlich komplex und undurchsichtig für die Zeitgenossen – eine Indifferenz, welche die Kritiker nun enttäuscht, denn Überraschungseffekte oder Hitchcock’sche Spannung bleiben bei Sauron letztlich aus. Nicht wenige hatten die Staffel 1 als Sauron-Suchspiel verstanden, klar, dass sie jetzt enttäuscht sind. Dabei lautet der Titel doch „Rings of Power“ und nicht „Hide and seek with Sauron“.

Die Serie ist auch kein klassisches Prequel. Denn gerade dazu taugt sie wohl nicht: Sie zeigt ein weites, ungeordnetes Panoptikum. Kennern bietet sie zu wenig Tiefgang, für Menschen, die Tolkiens „Herr der Ringe“ noch nicht kennen, kommt sie zu ausladend daher, wirkt teils jäh zerdehnt wie Butter, die auf zuviel Brot verteilt ist. Gleichzeitig erfährt man recht wenig Story. Alles bleibt vage. „Rings of Power“ ist eine Umsetzung von Mittelerde in das Format einer Telenovela, durchmischt mit Bildern wie aus einer Reisereportage, ohne große Emotionen zwar, dafür allerdings bildgewaltig, bestrahlt sie, einem Kristall gleich, alle Seiten der Welt von Mittelerde, teils in neuem Licht, besonders die Charaktere. Auf einige klassische Lichtgestalten fällt dabei auch wenig gutes Licht.

Besonders Galadriel schmückt sich während Staffel 1 nicht gerade mit Lorbeeren, was die Tilgung des Bösen angeht, die sie doch angeblich anstrebt, hassgetrieben, wie sie ist – und nicht ganz zu Unrecht muss sie sich dann auch in den letzten drei Folgen die Vorwürfe von der eigentlich dunklen Seite gefallen lassen, dass auch sie eine treffliche dunkle Herrscherin abgäbe oder sogar schon ist. Dass sie ob ihres Treibens nicht zu einer Kriegerbraut verkommt und elbische Würde und auch ein bisschen Weisheit behält, ist vor allem auch Leistung von Galadriel-Darstellerin Morffyd Clark, die den Balanceakt zwischen Furie und besonnener Elbenfürstin recht überzeugend umsetzt. Aber eine Weisheitsgöttin soll diese Galadriel sicher nicht darstellen. Auch der edle Hochkönig der Elben, Gil-Galad, verhält sich in der Serie überaus eigenützig bis rassistisch, doch Macchiavelli hat er dabei dennoch nicht gelesen, von Weisheiten aus dem Tolkienposiealbum abgesehen agiert er taktisch überaus grob und ungeschickt, meist mit pikierter Miene und selbst Elrond dreht sich Wahrheit und Versprechen oft so, wie es gerade opportun ist. Mit Wahrhaftigkeit scheinen die angeblich Guten ohnehin nicht besonders viel anfangen zu können, sodass bei solchen Helden die Bösewichte – zumindest in der ersten Staffel – gar nicht mehr ganz so abgrundtief böse wirken und in aller Regel wesentlich intelligenter. Kein Wunder, dass Sauron, obwohl der verwirrenden Hinweise viele gestreut waren, dann am Schluss gar nicht mehr so heraussticht, als er sich „offenbart“. Denn seine Handlungsbilanz von Staffel 1 fällt im Vergleich gar nicht mal so schlecht aus bisher. Wie es scheint, war er halt auch nur ein normaler Zeitgenosse. Man könnte fast sagen: So, wie sich die Figuren verhalten haben, hätte es fast jeder sein können, hinter dem sich der Gestaltwandler Sauron versteckt hat.

Und was ist mit den Ringen der Macht?

Die spannende Frage allerdings ist, was dies alles mit den Ringen der Macht zu tun hat, nach denen die Serie benannt ist – und in der letzten Folge wird dann erwartungsgemäß damit begonnen diese zu schmieden, wenngleich die letzte Folge auch ein gewaltiger Cliffhanger in gleich mehrerer Hinsicht ist – denn was fangen wir denn nun eigentlich mit ihnen an, mit diesen Ringen?

Tatsächlich wäre der Anfang der Ringe der Macht, wenn man so überlegt, für eine Serie ein überaus interessantes Feld, das in der Fantasy kaum ausgeleuchtet ist. Es böte tatsächlich viel Stoff, besonders für Charakterstudien, die beleuchten, wie aus Helden Ringgeister werden und die darstellt, dass die Straße zur Hölle (oder nach Mordor) mit guten Vorsätzen gepflastert ist – ein Motiv, das zutiefst tolkienesk ist. Die Genese beispielsweise eines Hexenkönigs von Angmar bleibt Tolkien ja schuldig, bei Charakterstudien in seinen Werken legt er sein Augenmerk eher auf kleine oder angeblich gescheiterte Persönlichkeiten auf der helleren Seite. Auch die Kraft der Ringe bekommt man in Tolkiens Werken kaum einmal vorgeführt, sieht man von dem Einen Ring ab, der von den Hobbits, die ihn in den Hauptwerken meist gerade besitzen, aber nie wirklich fachmännisch eingesetzt wird. Auch Sauron selbst wird in den klassischen Werken kaum damit gezeigt, so bleibt der eigentliche Nutzen des Meisterrings fraglich. Er schadet ja letztlich allen, selbst Sauron. Das trifft auch auf die meisten anderen Ringe zu. Letztlich ist nur das Ende bekannt, nämlich, dass sie ihre Träger in den Ruin führen, zumindest wenn der Herrscherring hinzu kommt, der aber auch seinen Erschaffer eher blockierte, als dass er ihm nutzte. Denn nach einer endlosen Such- und Wartezeit führt er letztlich direkt zu Saurons Untergang. Die drei Ringe der Elben, nicht von Saurons direkter Hand geschmiedet, sind irgendwie ebenso korrumpiert, dienen aber letztlich eher dazu, das Unvermeidliche, das Dahinschwinden, hinauszuzögern, was übrigens weit weniger interessant ist als die künftigen Ringe von Zwergen und besonders Menschen, die eher aktionsgetrieben sind. Wie auch immer, das alles böte trefflich Leerstellen, um damit viele Folgen zu füllen.

Nutzt die Amazon-Serie diese Leerstellen aus, um dies mal ausführlicher zu präsentieren? Leider nein. Jedenfalls nicht bisher, in Staffel 1.

Groß, gewaltig, aber wenig Innovation

Was mir insbesondere übel aufstößt, gerade bei den vielen Geschichten, die sich unter dem Motto „Ringe der Macht“ nun erzählen ließen, ist die überaus konventionelle, ja langweilige Regieführung, die sich zu keinerlei Experimenten bei der Kameraführung und Erzählperspektive traut. Tatsächlich waren schon die Peter Jackson-Verfilmungen in dieser Hinsicht reichlich konventionell, aber hier lädt die Thematik doch geradezu ein, die Pespektive in den einzelnen Folgen zu variieren und auch einmal stilistische Experimente zu wagen – schließlich haben Elben, Zwerge, Menschen, Hobbits doch eigentlich ihre ganz eigene Perspektive und ihren eigenen kulturellen Stil, der sich auch filmisch umsetzen ließe. Aber mit einer solchen echten Vielfalt bekommen wir es nicht zu tun.

Wir haben jetzt bloß ein wenig mehr „Diversität“ zu sehen bekommen in Form politisch korrekt eingestreuter Ethnien bei der Darstellerwahl, was sicher nett gemeint ist, den Zuschauer aber eher verwirrt, als ethnische Vielfalt zu evozieren, denn darunter leiden die fiktiven Kulturen der Tolkienwelt, die dadurch noch austauschbarer wirken, als es schon die Kameraführung nahelegt, die zu oft zu opulenten Panoramen schwenkt, sodass die unterschiedlichen Details verwischen. Hätte man nicht besser daran getan, die unterschiedlichen Lebensstile der Tolkienwelt mal wirklich kulturell auszuleuchten statt nur die moderne Parole von der multikulturellen Gesellschaft in jedes Volk nach Mittelerde zu projizieren? Es mag ja gut gemeint sein, aber so bleibt es reichlich seicht.

Auf der sprachlichen Ebene sieht es nicht besser aus: Die Dialoge erreichen, wo sie nicht augenmerklich Tolkien zitieren, selten Tiefe, selten Abwechslung. Manche Rezensenten meinen, man könne dies von den modernen Machern der Serie auch nicht erwarten – ich denke, das kann man schon und das sollte man auch! Eine Serie ohne gute Drehbuchdialoge kann nicht bestehen. Gute Dialogschreiber gibt es auch heute genug und ein Film setzt noch mehr als eine Buchvorlage voraus, dass die Darsteller nicht nur durch Aktionen, sondern auch in ihrer Kommunikation wirken können. Auch das größte Budget kann gute Drehbücher nicht ersetzen!

Nun, grundweg hat Staffel 1 auch nicht alles falsch gemacht: Man kann feststellen, dass z. B. auch die Dialogtexte teils unterschiedliches Niveau haben und viel hängt auch an den Schauspielern selbst. Schlecht, weil schablonenhaft, sind in der Regel die Passagen mit den Südländern, deutlich überzeugender wirken die streitbaren Dialoge zwischen Zwergenprinz Durin (Owain Arthur) und Elrond (Robert Aramayo), überhaupt überzeugt die Zwergenkultur am ehesten, weil hier die Fantasy ankanten kann und nicht gegenüber vermeintlicher Wokeness zurückstecken muss. Auch Galadriels Gespräche mit ihrem Schützling Halbrand (Charlie Vickers) und ihre Rededuelle mit den Numenorern, vor allem Miriel (Cynthia Addai-Robinson) sind besser geskriptet als die platten Redegeplänkel von Elben und Numenorern untereinander. Das ist insofern schade, als hier viel Filmzeit vertan wird mit Gesprächen oder Figuren, die man ersatzlos streichen könnte. Insgesamt kann man sagen: Die Serie ist immer dann gut, wenn sie mal wirklich persönlich wird und Charaktere originär nachzeichnet, statt sie nur zu kopieren. So gewinnt beispielsweise Nori mit ihrer Hobbitfamilie Gewicht, obwohl ihre Story eigenartig separiert wirkt.

Inwiefern sich die wirklich langen Passagen mit den Hobbits und dem gandalfgleichen Fremden (Daniel Weyman) noch irgendwann plausibel mit dem Hauptstrang der Serie verbinden lassen, muss jetzt noch offen bleiben. In der vorliegenden ersten Staffel ist dieser Handlungsstrang nicht wirklich mit der Handlung (Ringe der Macht) verknüpft und taugt, abgesehen von seinem Hobbitflair, allenfalls für Verwirrspiele oder dazu, die Episoden weiter in die Länge zu ziehen, was für die Zuschauer ärgerlich ist. Von der ähnlich konstruierten, aber durchaus sinnigen Doppelstruktur von „The Witcher“ Staffel 1 (Handlungsstränge Witcher und Siri), wo sich dies im Nachhinein mit den unterschiedlichen Zeitebenen erklärt, ist das meilenweit entfernt. Nichts fügt sich hier zusammen. Auch die Story verläuft vielsträngig, aber hochkonventionell und ohne Mut zur Originalität. Insofern lohnt sich auch nicht wirklich, die Staffel mehrfach anzusehen, um mehr zu verstehen und tiefer einzutauchen, abgesehen von Galadriels Aktionen und Dialogen, die im Rückblick tatsächlich in einem anderen Licht erscheinen ist der Wiederbetrachtungswert gering. Die meisten Filmminuten von Staffel 1 sind storytechnisch redundant, zu langatmig, sofern man nicht nur die (teils) kineastisch-bombastische Tricktechnik und die digitalkünstlerischen Vistas bewundern möchte.

Visuell braucht sich die Staffel 1 von „Rings of Power“ nicht zu verstecken: Tatsächlich ist die Serie vor allem optisch opulent und man sieht, wohin das meiste vom Budget geflossen ist – in die digital Art. Neben den genretypischen neuseeländischen Landschaftspanoramen wurden besonders die Stadt Tirion (in der Vorgeschichte), Lindon und Numenor beeindruckend visualisiert. Die Schlacht- und Massenszenen zeigen allerdings schon, dass an anderer Stelle gespart werden musste – denn statt epischer Schlachten zeigt die Serie eher Geplänkel und teils ist die Tricktechnik sichtbar. Das hat seinerzeit Peter Jackson besser hingekriegt – meiner Ansicht nach wäre das aber auch vernachlässigbar, wenn man Tolkien mal nicht nur als Kriegsepos liest und die Charakterszenen mehr gewichten würde.

Musikalisch liefert Bear McCreary solide Soundtrack-Kost, die allerdings in ihrer fachmännisch komponierten Motivik teils die Serieninhalte spoilert. (Wer den Soundtrack aufmerksam durchhört, weiß sofort, wer Sauron ist.) Durch eingängige Melodien und durch die professionelle Instrumentierung kommt Tolkienfeeling auf. An die legendären Scores von Howard Shore reicht McCreary trotzdem nicht ganz heran, dennoch liegt das Niveau deutlich über dem anderer Fantasyserien des Jahres 2022.

Fazit

Was liefert die Staffel 1 der Tolkien-Adaption und ist sie es wert, angesehen zu werden?

Wer Tolkien mag, vor allem seine zeitgenössische Rezeption, der wird hier durchaus fündig und findet solide Unterhaltungskost, es ist im Steaming-TV sicher ein Highlight des Jahres 2022. Allerdings wird die Serie so noch kein Klassiker werden.

Der Wiederbetrachtungswert ist fraglich, wenn man nicht gerade Tolkienfan ist oder Liebhaber von 3D-Fantasy-Art. Insofern rangiert „Rings of Power“ klar unterhalb der Witcher- oder auch der Sandman-Serie, die zwar billiger in Szene gesetzt sind, aber deutlich besser geskriptet und auch eindeutig die besseren Dialoge und Abwechslung bei der Regieführung haben. Im Vergleich mit dem direkten Konkurrenten „House of Dragons“ würde ich „Rings of Power“ dennoch klar den Vorzug geben, was allerdings auch daran liegt, dass mir die Tolkienvorlagen besser gefallen und man eigentlich auch wesentlich mehr aus der Sache herausholen könnte. (Es gibt ja noch eine Staffel 2, die Hoffnung stirbt zuletzt.)

Als Tolkienkenner muss man einfach auch die vielen liebevoll integrierten Easter-Eggs und Querbezüge positiv bewerten – es wird viel Fandom zitiert, ohne dass es, wie seinerzeit im dritten Hobbit-Filmteil, komplett überbordet. Aber es gibt eben auch zu gedehnte Phasen und Nebenhandlungen, die man hätte streichen können. Einige Filmminuten sind schlicht langweilig und provozieren die Vorspultaste. Ähnlich wie bei der quälend zerdehnten Hobbit-Triologie Jacksons wünscht man sich bisweilen noch einen Director’s Short-Cut, der sämtliche überflüssige Redundanzen herausschneidet und die acht Folgen der Amazon-Serie, Staffel 1 auf fünf stimmige Folgen verdichtet.

Die Masse an Figuren könnte der Serie auch noch zum Problem werden, denn anders als seinerzeit bei „Games of Thrones“ kann man ihre schiere Zahl nicht durch unverhoffte Tode nach dem Gusto von George R. R. Martin zurecht stutzen – denn Tolkien geht mit seinem Figurenpersonal, das teils sogar unsterblich ist, deutlich pfleglicher um, die Tolkien-Charaktere bleiben somit eigentlich sakrosankt und die Eigenkreationen haben oft zu wenig Eigensubstanz. So sterben denn im Verlauf der Staffel 1 auch nur vier Charaktere, von denen ein Tod altersbedingt ist und die drei anderen, weil es bloße Nebenrollen waren, nicht wirklich ins Gewicht fallen. Da für den weiteren Verlauf noch viele weitere Figuren hinzukommen dürften – allein für das Kaiserreich Rhun fehlt noch das gesamte Volk – und weil selbst in den Elbenlanden wichtige Protagonisten wie beispielsweise der Elbenringträger Cirdan noch gar nicht eingeführt wurden in Staffel 1 (rein theoretisch müsste irgendwann auch noch Glorfindel hinzustoßen und natürlich die Träger der sieben Zwergenringe und neun Menschenringe) dürfte die Anzahl der Rollen schnell spätbarocke Ausmaße annehmen. Wenn das Drehbuch weiter so behäbig verfährt, wie gehabt, lässt das nichts Gutes erahnen!

Klar ist, dass die Serie für die Fortsetzungsstaffeln ganz dringend einen Fokus setzen sollte: Tolkien lieferte mit seinem „Herr der Ringe“ seinerzeit ein Werk, das zeigte, wer in Kriegszeiten Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts als „echter Held“ zu sehen ist, was wirklich Bestand hat: kleine gesellige Hobbits, die sich und der Freundschaft treu bleiben, die den Verlockungen der Macht widerstehen – indem sie gerade nicht wirklich in den Ringkampf der Mächtigen eintreten.

Im 21. Jahrhundert aber brauchen wir eigentlich andere Legenden, solche, die zeigen, wie wir mit den Problemen einer zunehmend kaputten Welt umgehen, quasi Mittelerde neu gestalten, mit Kraft, aber ohne dabei zu Ringgeistern zu werden. Wenn Fantasy gut ist, dann liefert sie dazu ein paar fantastische Anregungen, statt uns mit weiterem Kriegsgeschnetzel zu überfluten, was zwar spätestens seit 2000 leider zum Fantasymainstream gehört, aber letztlich keinerlei literarisches Niveau mehr hat.

Ich würde mir wünschen, dass der Fokus in Staffel 2 deshalb mehr auf die Beziehungen und Charakterschauspiel gelegt wird und dem, was auch Tolkien wichtiger war: Zwischenmenschlichkeit und Mitgefühl. Und es täte der Serie auch sehr gut, wenn sie sich von Peter Jacksons zwar opulentem, aber langweiligen Filmstil emanzipiert und bei Kameraführung und Storytelling mehr Originalität wagt!

Über Martin Dühning 1523 Artikel
Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.