Mitleid, Mitgefühl und Barmherzigkeit

Das Wort zum dritten Advent

Barmherzigkeit ist immer konkrete Hilfe (Foto: Rodnae Productions via Pexels)
Barmherzigkeit ist immer konkrete Hilfe (Foto: Rodnae Productions via Pexels)

Die Adventszeit, die Zeit des Winters, ist eine Zeit, die inzwischen ganz dem Konsum gewidmet ist. Manchmal hat man aber auch ein bisschen Mitleid. Bloß – das reicht nicht!

Mitleid hilft niemandem, denn niemandem wird dadurch geholfen, dass man neben und damit über einem Leidenden steht und sich darauf konzentriert, dass man sich selbst schlecht dabei fühlt. Die Welt wird nicht dadurch besser, dass wir uns schlecht fühlen. Im besten Falle bekommt der Leidende so, zusätzlich zu seinen eigenen Problemen, auch noch die Schuld aufgehalst, dass er eine Zumutung sei, dass er anderen den Tag verdirbt. Das hilft nicht! Das beschämt und demütigt ihn nur!

Besser ist Mitgefühl – und das ist auch genau das, was wir anderen immer schuldig sind, nicht mehr und nicht weniger. Mitgefühl ist Empathie, die das Leid des Anderen nachvollzieht und der erste Schritt, wenn man Leiden wirklich lindern will.

Das Leid lindert allerdings erst die Barmherzigkeit. Barmherzigkeit bedeutet, nicht nur mit anderen mitzufühlen, sondern auch, ihnen aus ihrem Leid herauszuhelfen – wie der barmherzige Samariter. Barmherzigkeit ist allerdings nicht kostenlos zu haben, sondern erfordert Kraft, Verantwortungsbewusstsein und die Bereitschaft, sich selbst zu erniedrigen, um anderen aufzuhelfen. Man muss sich selbst etwas kleiner machen, auf Augenhöhe gehen, damit ein Leidender zu neuer Größe findet. Jemandem aus seinem Leid herauszuhelfen ist etwas ganz anderes als billige Almosen, die von oben herab in das Leid geworfen werden! Man kann Barmherzigkeit auch nicht delegieren. Barmherzigkeit ist nur Barmherzigkeit, wenn man sie selbst wirkt, konkret und mit den eigenen Handlungen.

Vielleicht deswegen bleibt soviel Not bestehen. Oft ist das Mitgefühl vorhanden, aber die Kraft und die Bereitschaft fehlen. Zeit allerdings, die hat man sowieso nie, die muss man sich immer nehmen im Leben, für die schönen Dinge wie für die Taten der Barmherzigkeit. Das geht nicht immer, aber öfter, als man denkt.

Wir sind aber auch nicht der allmächtige Gott, der immer und ewig barmherzig sein kann. Es genügt, wenn wir es im richtigen Augenblick sind und unserem direkten Nächsten gegenüber. Wir müssen nicht die ganze Welt durch alle Zeitalter retten – das ist Gottes Aufgabe und nur er kann das auch leisten. Er ist der Ich-Bin-Da durch alle Zeiten. Das ist sein Name. Und das „Reich Gottes“ ist das Reich Gottes, keine menschengemachte Utopie. Versuche, mehr zu leisten, als man kann, gehen fehl und führen im besten Fall zu hohlen Ideologien. Echte Barmherzigkeit ist aber konkret und nicht nur ein Vorsatz.

Wenn wir anderen helfen wollen, dürfen wir auch uns selbst nicht überfordern. Sonst sind wir keine Hilfe. Wir müssen nicht alles tun. Wir Menschen müssen nur unserem Nächsten helfen; wenn wir können, und zwar heute und in der Zeit, in der wir leben. Im Hier und Jetzt und solange unsere Kräfte reichen. Nicht weiter.

Aber das wenige, was wir leisten, ist für den, dem wir helfen, unglaublich viel: Vielleicht retten wir mit einer barmherzigen Tat nicht die ganze Welt – aber für den akut Notleidenden retten wir für eben diesen Moment seine Lebenswelt!

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Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.