Zu Besuch in der Synagoge Lörrach

In der Synagoge Lörrach (Foto: Martin Dühning)
In der Synagoge Lörrach (Foto: Martin Dühning)

Am 27.04.2023 besuchten die sechsten Klassen gemeinsam mit ihren Begleitlehrkräften die israelitische Kultusgemeinde Baden in der Synagoge von Lörrach. Zur Halbtagesexkursion gehörten auch eine kleine Stadtführung und ein Besuch des jüdischen Friedhofs.

Zum Bildungsauftrag eines allgemeinbildenden Gymnasiums gehört auch, andere Kulturen und Religion erlebbar zur machen – nicht nur in Geschichtsbüchern oder Filmen, sondern auch leibhaftig vor Ort. Denn auf die echten Menschen kommt es an! Daher organisieren die Fachschaften Ethik und Religion in verschiedenen Klassenstufen Exkursionen zu den Gotteshäusern der großen Religionsgemeinschaften oder laden Fachreferenten ein, damit man anderen Kulturen auch zwischenmenschlich begegnen kann. Denn für das menschliche Miteinander und aufrichtige Toleranz ist es gerade auch heute wichtig, dass man wirklichen Menschen begegnet und nicht nur gedanklichen Konstruktionen oder Fiktionen.

In Klasse 6 steht das lebendige Judentum auf dem Plan. Durch die erzwungene Corona-Pause hatte man in den Vorjahren pausieren müssen, im Schuljahr 2022/2023 fand wieder ein Synagogenbesuch statt.

Am Donnerstag, den 27. April 2023 war es wieder soweit und die Klassenstufe 6, bestehend aus vier Klassen mit begleitenden Lehrkräften, machte sich auf zum Besuch einer Synagoge. Dazu mussten die Schülerinnen und Schüler per Bus nach Lörrach fahren, weil die ehemals große jüdische Gemeinde von Tiengen und Waldshut ja im dritten Reich ausgelöscht worden war und selbst die Synagogengebäude nicht mehr bestehen. Leider war damals auch die alte Synagoge von Lörrach von der Shoa betroffen, aber es gibt in Lörrach inzwischen wieder eine lebendige jüdische Gemeinde. Die heutige Synagoge ist eine Neugründung der israelitischen Kultusgemeinde Baden aus dem Jahr 2007 und befindet sich am Rande der Altstadt an der Ecke von Spital- und Rainstraße. Das dreigeschössige Bauwerk beherbergt neben einem Gebetssaal auch das israelitische Gemeindezentrum, eine Bibliothek, eine Mikwe (jüdisches Ritualbad), eine koschere Küche und diverse Büroräume der Verwaltung. Das ausgebaute Obergeschoss ist für die Öffentlichkeit nicht zugänglich und wird nur für die Feier des Sukkot (Laubhüttenfestes) verwendet. Die heutige israelitische Gemeinde umfasst in Lörrach etwa 500 Mitglieder.

Mit dem Bus fuhren die Gäste vom Hochrhein-Gymnasium zunächst bis zum Busbahnhof in Lörrach, von wo sie, angeführt von Frau Jensen und Herrn Dühning, einen kleinen Fußmarsch durch die Fußgängerzone bis hin zur Rainstraße unternahmen, wo die neue Synagoge steht. In der Synagoge angekommen wurden die Schülerinnen und Schüler der Klassenstufe 6 von Landesrabbiner Moshe Flomenmann begrüßt. Der Rabbiner führte die Schaulustigen durch das jüdische Gotteshaus und stellte der Schüler- und Lehrerschaft im Gebetsraum Grundlagen des jüdischen Glaubens und der Gottesdienstpraxis vor. Aus Platzgründen, aber auch um einen Eindruck von der Gemeindepraxis zu gewinnen, nahmen die Männer (Schüler und Lehrer) im Unterraum des Gebetssaals Platz und die Frauen (Schülerinnen und Lehrerinnen) auf der Frauenempore, also ganz traditionell getrennt nach Geschlechtern.

Besonders stolz zeigte Rabbiner Flomenmann die neue große Torarolle, die zur Feier des zehnjährigen Synagogenjubiläums am 80. Jahrestag der Pogromnacht, am 9. November 2018, eingeweiht worden war und die seither ein besonderer Schatz der Synagoge ist. Am Ende seines Vortrages beantwortete der Rabbiner und seine Assistentin auch Fragen aus dem Publikum. Nach der Führung in der Synagoge wurde den Schülerinnen und Schülern bei einem kurzen Stadtrundgang auch das Schicksal der Juden von Lörrach im Dritten Reich geschildert. Halt machte man am ehemaligen Standort der alten Synagoge, die von 1808-1938 Teil der Lörracher Stadtkultur gewesen war und die in den Morgenstunden des 10. Novembers 1938 von NSDAP und SS durch Feuerlegung zerstört wurde. Dabei wurde auch die Gedenktafel gezeigt, die seit 1976 auf das alte Synagogengrundstück hinweist und die seither Teil des Lörracher Skulpturenweges ist.

Daraufhin folgte noch ein kurzer Rundgang durch den jüdischen Friedhof, den der Rabbiner aber knapp hielt, weil nach seiner religiösen Auffassung Jugendliche nicht auf Friedhöfe gehören und dieser Ort eher älteren Menschen vorbehalten sei. Da die neueren Gräber der israelitischen Gemeinde nicht in Kontinuität zu den noch erhaltenen alten jüdischen Gräbern aus der Zeit von vor 1938 stehen, ging er auf die Gestaltung der älteren Gräber wenig ein und erklärte kurz heutige Gepflogenheiten. Den Besuchern wurde dabei klar, dass sich einige jüdische Vorstellungen durchaus von christlich-westlichen Gebräuchen unterscheiden, sowohl, was die Grabgestaltung, als auch, was den Umgang mit dem Tod als Lebensrealitität angeht.

Nach dem Rundgang auf dem Friedhof war die Exkursion abgeschlossen und Schülerschaft wie Lehrkräfte bedankten sich für die Führungen bei den beiden Mitgliedern der jüdischen Gemeinde. Dann machten sich die Besucher vom Hochrhein-Gymnasium wieder auf den Weg zum Busbahnhof, von wo es per Bus wieder Richtung Waldshut ging, wo sie ohne Zwischenfälle und Verkehrsstauß am frühen Nachmittag ankamen.

Weitere Informationen

Mehr über die Israelitische Religionsgemeinschaft Baden kann man auf deren Webseite in Erfahrung bringen: https://irg-baden.de/de/ . Dort sind auch die Synagogen aufgeführt, die Synagoge Lörrach findet man unter https://irg-baden.de/de/israelitische-kultusgemeinde-loerrach .

Über Martin Dühning 1507 Artikel
Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.