Im Windtanz der Blätter
ein feines Stimmchen sich einst verbarg.
Das flatterte munter,
so war seine Art,
einer Fledermaus gleich
dort an mein Ohr.
Es wisperte Worte sacht und leise,
ließ mich nicht mehr los,
nahm meine Phantasie mit auf die Reise…
…in die unendlich große und bunte flattrige Welt von Veamoris.
Prolog
Es ereignete sich einst in Veamoris, dass nach langen Jahren der Dürre, eine große Hungersnot über das noch neue Fledermaus-Königreich (1Veamorische Fledermäuse, die: Der Großteil der Bewohner des Zwergplaneten Vea sind kleine, ca. 7cm große, Fledermäuse. Veamorianische Fledermäuse haben im Gegensatz zu herkömmlichen Arten kleine, aber sehr starke Beinchen und robuste Füßchen, auf denen sie problemlos aufrecht laufen können. Ebenso eigen sind ihnen ihre Sprachbegabung und teilweise hohe Intelligenz, selbstverständlich gibt es auch hier Ausnahmen… Weiterhin besitzen sie sehr filigrane und geschickte 3-fingrige Händchen an jedem Flügelarm, mit denen sie bei guter Kondition erstaunliche Flugstrecken zurücklegen können. Veamorische Fledermäuse sind große Fans von Rucksäcken jeder Art, weil sie damit im Flug alles transportieren können, was sie so brauchen.) hereingebrochen war. Der Unerfahrenheit des jungen Sanguiner Königs war es zu verdanken, dass weder Vorräte angelegt, noch Pläne zur gerechten Verteilung der Nahrungsmittel erstellt worden waren. Weiter wurde gemunkelt König Eerim sei Opfer eines Fluches geworden. Denn eine mysteriöse, scheinbar unheilbare Krankheit schien ihn befallen zu haben, die sein Fell aschgrau, seine Augen milchweiß und sein Gemüt mit Traurigkeit färbte. Infolgedessen vernachlässigte der Herrscher zunehmend die Staatsgeschäfte, sprach nicht mehr Recht unter seinen Untertanen und versäumte es sogar den Festlichkeiten des Nationalfeiertages zum 31. Oktober vorzusitzen. Die Verbrechensrate und der Schwarzbluthandel (2Schwarzbluthandel, der: Der illegale, überteuerte Handel mit überlebenswichtigem Blut. Es gibt zwei Arten von Fledermäusen in Veamoris. Die Sanguinen und die Aquuanen. Grundsätzlich sind alle veamorischen Fledermäuse Vegetarier und bevorzugen Wasser. Im Gegensatz zu den Rundohrigen Aquuanen benötigen Sanguinen, deren Ohren spitz zulaufen, aufgrund ihrer besonderen Genetik jedoch einmal in der Woche ein paar Tropfen Blut eines Vernunft begabten Wesens, um ihr Überleben zu sichern. Tierblut zu verwenden ist zwar grundsätzlich möglich, hat aber einige sehr unerwünschte, teils unvorhersehbare Nebenwirkungen.
So wird berichtet, dass der Sanguine Efriied Ep nachdem er sich an Hirschblut versuchte über zwei Wochen lang röhrend durch die Wälder irrte und auch ein paar Siedlungen zerstörte, bis er endlich von der Wache aufgegriffen und geheilt werden konnte. Es verwundert so nicht, dass die Verwendung seitdem, bis auf ein paar seltene Ausnahmen, z.B. zu wissenschaftlichen Zwecken, verboten ist. Unter Jugendlichen wird dieser Effekt jedoch weiterhin gerne in Mutproben missbraucht. ), ihr könnt es euch denken, standen hingegen in voller Blüte. Dubiose Geschäftsfledermäuse verkauften Blut zu Wucherpreisen und gaben den verschuldeten Spendern kaum mehr als ein grimmiges Lächeln. Nun war es Winter geworden und die letzten privaten Vorräte neigten sich dem Ende, was König Eerim kaum zu kümmern schien. Er schien vielmehr daran interessiert, auf Ratschlag einiger Heiler hin, auch noch das letzte Lebewesen aus den Wäldern aufzuspüren und zu vernichten. Es war nämlich prophezeit worden die Heilung des Königs könne nur durch das „Herz des Waldes“, einem eng mit dem Wald verbundenen Lebewesen, erfolgen. Die Heiler waren der festen Überzeugung, dass es sich dabei um das geheimnisvolle Monster handeln müsse, welches seit einigen Jahren im großen Wald von Treevalis sein Unwesen trieb und dessen Aussehen von jedem der überlebenden Jäger des Königs anders und noch grausiger beschrieben wurde. Es schien förmlich mit dem Wald zu verschmelzen und niemandem gelang es, ihm auch nur ein Haar zu krümmen. Obwohl die meisten Jäger scheinbar spurlos verschwanden, fanden sich weiterhin Freiwillige, die ihr Glück versuchen wollten. Denn die Not war groß und der König hatte eine immense Belohnung, nicht mehr und nicht weniger als die Hälfte seiner Schatzkammer, versprochen.
Teil 1: Die Reise nach Miehniehr
Damals begab es sich, dass der junge Aquuaner Bäcker Phiilp, als er ausgelernt hatte, wie viele andere keine weitere Anstellung fand. Es verwundert nicht, dass auch er Hunger litt und zudem bei einer dubiosen Geschäftsfledermaus hoch verschuldet war. Phiilp hatte bereits einen Großteil seines Blutes gespendet und als ihm nun auch noch der letzte potentielle Arbeitgeber die Tür vor der Nase zuschlug, beschloss er sein Glück in den Wäldern zu suchen, das Monster zu erlegen und die Belohnung zu kassieren. So packte er also sein Bündel mit den letzten Brot- und Gemüsereserven, und stapfte entschlossen, aber zu entkräftet um zu fliegen, durch das Stadttor der Hauptstadt Husevie in die weiße Winterwelt hinaus. Sein erstes Ziel war die 3 Tagesmärsche entfernte Stadt Miehniehr, von der aus es ein sicherer Weg über den mächtigen Fluss Niehr und am Silbergebirge (3Silbergebirge, das: Das größte Gebirge auf Vea mit mächtigen silbernen Steinformationen, denen es seinen Namen verdankt. Das Silbergebirge ist noch weitgehend unerforscht, da viele tapfere Fledermausforscher hier ihr Leben lassen mussten. Gerüchten zufolge gibt es zahlreiche unterirdische Gänge und gigantische Höhlen mit mannigfaltigen, teilweise bizarren und skurrilen Lebensformen. Gesichert ist jedoch, dass die einzigartigen silbernen Erze des Silbergebirges den, für Möbelholz beliebten, Bäumen des benachbarten Waldes von Treevalis ihre einzigartige Färbung geben.) vorbei zum großen Wald von Treevalis führen sollte.
Es dauerte jedoch nicht lange da schmerzten ihm die kleinen Beinchen und er begann zu frieren. Tapfer hielt er bis zur Dämmerung durch. An einer Kreuzung machte er sich ein Feuer und wollte gerade beginnen sein Bündel nach noch Genießbarem zu durchsuchen, da hörte er ein Wimmern. Zunächst dachte er, er hätte sich das Geräusch nur eingebildet, zuckte mit den Schultern, widmete sich weiter seinem Bündel und fand nun endlich ein Stück Brot, das noch nicht vollständig verschimmelt war. Eben als er abbeißen wollte, wurde das Wimmern lauter. Er konnte es nun nicht mehr ignorieren. Der Fledermäuserich (4Geschlecht veamorischer Fledermäuse: Ob und welches Geschlecht veamorische Fledermäuse haben ist nicht ganz eindeutig. Im Prinzip gibt es keine äußerlich erkennbaren Merkmale und das Thema Fortpflanzung ist ein gut gehütetes Geheimnis. Geschlecht ist vielmehr eine Frage der inneren Einstellung, die im Laufe des langen Fledermauslebens (Bis zu 500 Jahren) durchaus variieren kann. Die Übersetzung aus dem Veamorischen in unsere Sprache ist zudem nicht ganz einfach, da im Veamorischen ein vielfältigerer Wortschatz zu finden ist. Der Leser mag daher verzeihen, dass an manchen Stellen ein wenig eigene Interpretation mit einfließen musste.) legte sein Brot zur Seite und begann das Geräusch zu suchen. Hinter einem Felsen wurde er fündig. Da steckte ein kleines, blaues, pelziges Wesen eingeklemmt in einem Felsspalt und kreischte nun herzerweichend, als er danach greifen wollte. Trotz einiger Gegenwehr in Form von Zappeln und Beißen befreite der Bäcker es schnell und geschickt und konnte es gerade noch absetzen, bevor es einen nächsten Beißversuch starten konnte. „Du bist aber ganz schön undankbar.“ schimpfte Phiilp und hielt sich die blutende Hand. „KRRK KRACK!“ meckerte das kleine Wesen zurück und verschwand flink hinter dem Felsen. „Merkwürdige Tiere gibt es…“ murmelte der Retter, zuckte mit den Schultern und ging zurück zu seiner Lagerstatt, wo er eine ereignislose, wenn auch kalte Nacht verbrachte.
Am nächsten Morgen staunte er nicht schlecht. Beim Aufwachen konnte er den Duft süßer Brötchen riechen und tatsächlich lagen neben seinem Kopf zwei frisch gebackene Brötchen mit Marmeladenfüllung. Er nahm dieses Geschenk dankbar an und kaute andächtig, denn sie schmeckten herrlich. Auch, wenn seine Hand und seine Beine noch etwas schmerzten, fühlte er sich jetzt schon etwas kräftiger und setzte seinen Weg zuversichtlich fort. Dieser verlief ebenso anstrengend aber ruhig wie der vergangene Tag. Phiilp konnte sogar wieder ein wenig fliegen und kam daher gut voran, sodass er am Abend wieder an einer Kreuzung rastete, ein warmes Feuer entzündete und sein Lager aufschlug. Auch hier wollte er gerade wieder in einen seiner kargen Speisereste beißen, die ihm heute seltsamerweise weit weniger schimmelig als gestern vorkamen, da durchbrach abermals ein leises Wimmern die Stille. Dieses Mal ging er sofort dem Geräusch nach und fand bald dessen Ursprung. Tatsächlich war dasselbe blaue, pelzige Etwas eingeklemmt, nur dieses Mal in einer Wurzel. Wieder befreite er es und erneut bekam er einige blutende Bisse zum Dank, „Immer noch so undankbar?“ entrüstete er sich noch, als das Wesen längst in der Dunkelheit verschwunden war. Schulterzuckend ging Phiilp zu seinem Lager zurück und aß ein paar Möhrenstücke, bevor er sich müde schlafen legte.
Am nächsten Tag stieg ihm wieder der Duft süßen Gebäcks in die Nase. Dieses Mal lagen neben seinem Kopf zwei leckere Schokoladenbrötchen. Fröhlich verspeiste er diese und machte sich zügig auf den Weg. Nach einer Weile fiel ihm auf, dass sein Bündel etwas schwerer geworden zu sein schien und genüsslich schnurrende Laute von sich gab. Ein kurzer Blick versicherte ihm, dass er sich nicht geirrt hatte. Darin lag schlummernd und ein wenig schnarchend zwischen dem mittlerweile auf wundersame Weise vollständig frischen Gemüseresten das kleine blaue Wesen. „Da sind wir wohl doch noch Freunde geworden.“ grinste Phiilp und setzte seinen Weg fort, immer darauf bedacht sein Bündel nicht zu grob hin und her zu schaukeln, oder zu stoßen.
Am Abend erreichte er nach einem herrlich sonnigen, aber weiterhin kalten, Flug- und Wandertag die Tore der kleinen, aber reichen Stadt Miehniehr. Phiilp war aufgeregt und neugierig, da er noch nie seine Heimatstadt Husevie verlassen und viele wunderbare Geschichten über die prächtige Handelsstadt am Fluss Niehr gehört hatte. Er beschloss sich erst ein wenig auf dem berühmten, ganzjährigen Markt umzusehen, bevor er eine Unterkunft für die Nacht suchen wollte. Vielleicht könnte ihm dabei ja auch gleich jemand den Weg in den großen Wald erklären. Phiilp durchquerte also zielsicher die Stadttore und hielt direkt auf die große Marktstraße zu, welche die Stadt auf ganzer Länge durchzog. Er kam dabei aus dem Staunen nicht mehr heraus. Miehniehr war scheinbar wirklich eine wohlhabende und sehr prunkvolle Stadt. Alles sah sauber, ordentlich und gepflegt aus. Sogar der Schnee war vollständig entfernt worden. Überall sah er gut genährte und vornehm gekleidete Fledermäuse und interessant aussehende fremdländische Besucher gut gelaunt über den Markt flanieren. Die Marktstände boten mannigfaltige und Phiilp gänzlich unbekannte Tuchwaren, allerlei Nippes, Gewürze und Leckereien an. Er fühlte sich wie in einer anderen Welt. Von der landesweiten Hungersnot war hier scheinbar keine Spur. Unserem Phiilp lief das Wasser im Mund zusammen und sein erneut leerer Magen meldete sich nun lautstark. Dies blieb leider nicht unbemerkt. Die umstehenden Fledermäuse blickten ihn bereits finster an. Einige schüttelten den Kopf oder rümpften die Nase. Erst jetzt bemerkte unser verarmter Bäcker, dass er ein jämmerliches Bild abgeben musste. Das braune Fell zerzaust, nass vom Schnee und voller Äste und brauner Blätter, die Füße Schlamm verschmiert von der langen Wanderschaft und nach Veilchen roch er auch nicht gerade.
Phiilp hatte kaum einen Plan fassen können, wie er sich zumindest ansatzweise hätte säubern können, da wurde er auch schon grob gepackt, von zwei Wachen weg getragen und ebenso unsanft in die nächste Gasse geschleudert. Unglücklicherweise stieß er sich dabei den Kopf, was ihn für einen kurzen Moment ausknockte. Als er wieder zu sich kam und die Welt sich nur noch ein bisschen drehte, sah er in das Gesicht einer sehr besorgten, spitzohrigen Fledermaus. „Alles ok bei dir? Ganz schön mutig, dass du dich auf den Markt gewagt hast.“ piepste sie. „Was? Wie? Warum?“ stammelte Phiilp und hielt sich den schmerzenden Kopf. „Bist du nicht von hier?“ fragte das Spitzohr, wartete aber keine Antwort ab, nickte wissend und deutete auf einen Müllhaufen neben Phiilp. „Gehört das da zu dir?“. Erst jetzt bemerkte er ein ihm mittlerweile gut bekanntes Schimpfen und Zetern. Das kleine, pelzige und blaue Wesen, das ihm anscheinend zu folgen schien, hatte sich in seinem Bündel verheddert und versuchte lautstark an ein paar Stücke stark verschimmeltes Gemüse neben sich zu kommen. Phiilp seufzte, richtete sich schmerzhaft auf und befreite das Pelztierchen, das sich sofort hungrig auf die heiß begehrte Mahlzeit stürzte und ihn zumindest dieses Mal nicht biss. „Es folgt mir seit ein paar Tagen.“ erklärte er. „Ich bin übrigens Phiilp. Eure Stadt ist nicht gerade gastfreundlich.“
„Desmoon“, piepste die Spitzohrige, „seit die Vorräte leer sind, wurde es immer schwieriger die prunkvolle und wohlhabende Fassade der Stadt aufrecht zu erhalten. Der Müll wurde nicht mehr abtransportiert, die Verbrechensrate stieg rapide an und irgendwann ging es sogar so weit, dass ausländische Händler oder wohlhabende Besucher, bedrängt und angegriffen wurden. Als dann ein angesehener truptischer (5Trupter, die: Die sympathischen und friedlichen Bewohner des Nachbarmondes Trup. Trupter waren bereits sehr früh fortschrittlich und entdeckten das interplanetare Reisen weit vor den Veamorianern. Jedoch hielten sie es für sinnvoller dies für sich zu behalten, um die veamorische Kultur nicht zu verfälschen, was im Jahre 421 a.V von den Fledermäusen entdeckt wurde und zu einer kurzen Phase der Empörung und dem Abbruch aller diplomatischen und freundschaftlichen Beziehungen führte. Die Trupter gaben Jahrzehnte lang erfolgreich vor, von einer größeren Insel in den Gewässern nördlich des großen Wlobbs zu stammen. Eine Aussage, die sich nur mit sehr hohem Aufwand und sehr viel Bedrohung für Leib und Leben hätte überprüfen lassen, weswegen die Veamorianer dies vermieden. Sie waren einfach froh, dass die Trupter ein so mutiges Volk waren, es mit dem großen Wlobb aufzunehmen.
Ergänzung: Großer Wlobb, der: Sagenumwobenes, mächtiges Seeungeheuer, das in den Gewässern nördlich des großen Waldes von Treevalis beheimatet ist. Seinen Namen verdankt es dem Geräusch, das zu hören ist, wenn es sein Maul frisst. Zuerst ertönt ein langgezogenes, vibrierendes Rauschen, das entfernt an das Geräusch eines Staubsaugers erinnert: „Wwwww…“ . Nach einem kurzen, sehr unheimlichen Moment der Stille, schnappt das Maul plötzlich gänzlich auf und sofort wieder zu. Dies erzeugt ein lautes, blubberndes „…lobb“. Dieser Vorgang führte im Übrigen auch einige Male zu den Verheerenden Flutkatastrophen von 630 t.V. und 200 t.V. Zu diesen Zeitpunkten jagte der Wlobb besonders dicht vor der nördlichen Küste. ) Händler nach einem Diebstahl nackt in den Müll geworfen wurde, schlug das so große Wellen, dass ein Gesetz erlassen wurde, nach dem es nur sauberen und wohlgenährten Lebewesen gestattet ist, den großen Markt zu betreten. Um die Außenwirkung zu wahren und weiterhin Geld zu scheffeln ist dem aktuellen Stadtvorsteher jedes Mittel recht. Dass auf den Straßen massenweise Fledermäuse vor Hunger sterben, interessiert ihn nicht. Hauptsache er kann weiter in seinem Geld baden und seiner Völlerei frönen. Wir schrieben an den König und baten um Hilfe, wir sandten sogar einen Boten, aber dieser berichtete, dass König Eerim nur vor sich hin gestarrt und nicht zugehört habe.“
Da berichtete Phiilp, dass es um die Hauptstadt Husevie aufgrund der Hungersnot und der Blutwucherer auch nicht viel besser stand und er sich deshalb auf den Weg gemacht habe das Herz des Waldes zu finden und König Eerim damit zu heilen. Desmoon hatte ebenfalls von der Prophezeiung gehört, schüttelte aber ungläubig und resigniert den Kopf. „Na, wenn das mal hilft… ich wünsche dir das Beste.“ und fuhr ein wenig stolz weiter: „Im Übrigen haben wir hier ein recht gutes System entwickelt, das es uns ermöglicht sowohl Sanguinen als auch Aquuanen gleichberechtigt zu versorgen. Wir haben nur das Problem, dass der Vorrat an noch halbwegs essbarem Gemüse zur Neige gegangen ist. Wir haben zwar versucht alles im Schnee einzufrieren, aber das Wetter war so unbeständig, das nun eigentlich alles verschimmelt und verfault ist. Zudem gibt es verlässliche Quellen, die behaupten unser gefrorenes Gemüse sei heimlich durch den Abfall der wohlhabenden Fledermäuse ausgetauscht wurde.“ Mit diesen Worten deutete er auf den großen Abfallhaufen verschimmelten Gemüses, den das kleine Wesen immer noch fleißig durchwühlte. Jedoch machte Desmoon große Augen, wirkte dieser doch nun auf wundersame Weise schon weniger verschimmelt und einiges davon sah sogar recht frisch und appetitlich aus.
Phiilp kam zuerst die Erleuchtung. Er trat nun vorsichtig an das kleine Wesen heran. Dieses schien sich mittlerweile an ihn gewöhnt zu haben und duldete seine Anwesenheit ohne Probleme. Und tatsächlich beobachtete Phiilp wie das pelzige Wesen sämtliche Verdorbenheit aus dem Gemüse heraus zu saugen schien. Es schmatzte dabei genüsslich, wurde scheinbar auch ein wenig dicker und beendete seine Völlerei erst, als es sich kaum noch bewegen konnte. „Ich glaube wir haben soeben die Lösung für euer Problem gefunden.“ grinste unser Bäcker, hob es hoch und streichelte das vollgefressene Tierchen, das sich müde und schnurrend in seinen Arm kuschelte. Desmoon und die anderen Fledermäuse waren natürlich begeistert. Das Gemüse war vorerst gerettet und damit auch die Grundlage des ersten sozialen BNVS (6Blut-Nahrungsmittel-Verteilungssystem, das. Kurzform BNVS: Ein System zur gerechten und Ressourcenschonenden Verteilung der überlebenswichtigen, essentiellen Grundlagen zur Sicherung der gesunden Ernährungsweise veamorischer Fledermäuse. Die Verteilung wurde so geregelt, dass Aquuanen gegen eine monatliche Abgabe einiger Tropfen ihres Blutes, eine entsprechende Menge zusätzlicher Nahrungsmittel erhielten. Sanguinen wiederum wurden mit einer genau rationierten Blutmenge versorgt, die vorher genau berechnet wurde und die individuellen Bedürfnisse berücksichtigte. Auch, wenn dieses System jahrelang erfolgreich den illegalen Bluthandel unterband und sozial gerechter war, gab es trotzdem viele Kritiker, vor allem innerhalb einer radikalen Gruppe der Aquuanen, die im Vorgang des Abzapfens des Blutes ihr Grundrecht auf körperlichen Unversehrtheit verletzt sahen und zudem beklagten, das auch bei der Berechnung der notwendigen Blutmenge geschummelt werden konnte. Dank des mutigen Einsatzes und der unermüdlichen Forschung des Grafen Victors, des III., konnte im Jahre 120 a.V. allerdings die heutige blutfreie Ernährungsweise eingeführt und zufriedenstellend für alle beibehalten werden.), das später von Graf Victor, dem I., auf ganz Veamoris übertragen werden sollte.
Phiilp und das Pelztierchen waren sofort sehr beliebt, wurden gastfreundlich aufgenommen und trotz der weiterhin kargen Vorratskammern ließ man es ihnen an nichts fehlen. Das Erlebnis auf der Marktstraße hatte der Bäcker jedoch noch nicht vergessen und es nagte weiterhin an ihm, dass es auf dem gesamten Kontinent so viele Ungerechtigkeiten gab. Deswegen wurde er schon bald unruhig und plante schließlich seine Weiterreise zum großen Wald von Treevalis. Es fiel ihm nicht leicht das kleine Tierchen in Miehniehr zu lassen, denn er hatte es in der Zeit sehr lieb gewonnen, aber er verstand, wie wichtig es für die armen Bewohner der Stadt war. Eines Morgens überreichte er das mittlerweile ziemlich pummelige, aber gut gelaunte, Wesen der Fledermaus Desmoon: „Ich bin mir sicher du wirst gut auf den kleinen Kerl Acht geben. Ich werde nun mein Glück mit der Prophezeiung versuchen.“ Desmoon war sehr traurig, war nun aber ein wenig zuversichtlicher, dass Phiilp es schaffen könne. Sie schenkte ihm einen kleinen Beutel mit Reiseproviant, eine Karte mit einer ungefähren Wegbeschreibung, drückte ihm etwas in die Krallen, das wie ein Bündel Schnürsenkel wirkte und sagte: „Ich hatte heute Nacht einen seltsamen Traum, in diesem erschien eine große, bunte Fee. Sie sagte mir, dass ich dir Schnur geben solle und dass dies sehr wichtig sei. Ich weiß nicht Recht, was ich davon halten soll, aber »stelle niemals einen Traum in Frage«, wie meine Oma immer zu sagen pflegte…“ Und so machte sich unser Held weiter auf seinen Weg zum großen Wald…
Fortsetzung folgt …