Meine Träume sind selten erholsam, vor allem dann nicht, wenn sie Versatzstücke aus meinem Leben enthalten. Doch es gab auch eine Ausnahme, an diesem Samstag.
Draußen, in der Realität 2023, ist es November, ein weiland sehr verregneter und teils auch überfluteter November, mit viel Wasser, das mein Garten eigentlich besser hätte im Sommer vertragen können.
Innen, im Traum, sah ich diese Samstagnacht den Garten, wie er in früherer Zeit war – ein später Aprilnachmittag Anfang der 1980er Jahre, damals, in der alten Zeit, als meine gartenliebenden Familienmitglieder noch lebten und die Nachbarn drumherum noch andere, nettere waren. Von Beton- und Steingärten war noch nichts zu sehen und auch nichts von der SUV- und Autoinflation. Denn damals wurde in den Gärten Gemüse gepflanzt und nicht Blech und Stein.
Stattdessen war die Königsberger Straße und besonders ihre Gärten noch weithin unbebaut, voller Blumen- und Gemüsegärten – und besonders groß war auch der Garten der Familie Jester, wo meine Oma und mein Opa zusammen mit meiner Mutter den Sommergarten planten für die kommende Saison.
Sie taten dies auch in meinem Traum mit so großer Vorfreude und Begeisterung, wie sie nur in der alten Zeit Teil meines Lebens war oder heute in den Gartensendungen eines Monty Don. Sie taten es lustvoll, wenngleich es auch keine hochgebildete Landlust war wie die eines Goethe. Es war die kindliche Freude daran, etwas eigenes zu erschaffen, statt nur zu konsumieren. Viele Samenpäckchen wurden betrachtet, freudig unterhielt man sich über Kommendes. Und es war eine Pracht, dabei zuzusehen, wie von ihnen dutzende von Gemüsesorten ausgebracht wurden: Zwiebeln, Lauch, Salate, Mohrrüben, Sellerie, Gewürtkräuter und weiteres, wie man es eben Ende April sät – oder säte in den 1980er Jahren.
Da das Böse damals noch nicht so mächtig war in meinem Umkreis wie heute, und diesmal auch nichts davon in diesen Traum einsickerte, war dieses Traumbild erstaunlicherweise recht erholsam, was eine allzu seltene Erfahrung ist. Normalerweise sind meine Träume eher Irrfahrten in irgendwelche geplanten Urlaube, wo man aber niemals ankommt, oder Zombie-Träume von meiner Exfreundin oder bösen Nachbarn, die alles zubauen oder zerstören. Idyllen sind eigentlich eher selten und so fragte ich mich an diesem Morgen, was diesen Frühlingstraum im November wohl ausgelöst haben könnte.
Gut, ich mag Gärten, ich liebe Grün um mich herum und gerne hätte ich von meiner Wohnung eine schöne Aussicht auf urwüchsige Landschaften, statt nur auf die Blechlawinen und Mülltonnen meiner Nachbarn. Gegenüber Gemüsegärten bin ich aber eher neutral eingestellt, denn für mich sind Gärten eher Naturreservate für Vögel und Insekten. Insbesondere skeptisch bin ich gegenüber der Giftgärtnerei meiner Vorfahren, die ihre Gemüseernte nur mit Insektizideinsatz sicherstellten, was vermutlich mit Schuld an ihren Krankheiten war. Eine Sehnsucht nach dem Gemüse kann es also nicht gewesen sein, zumal ich auch selten von Dingen träume, nach denen ich mich sehne, eher umgekehrt.
Wohl aber kann das Gemüse ein Auslöser gewesen sein, denn es war in diesem Jahr Teil des Informatik-Biberwettbewerbs – und nachdem ich fünf Lerngruppen dabei zugesehen habe, wie sie Gemüse sortierten, wanderte das Bild vom Gemüsepflanzen in die geträumten Gärten meiner Kindheitserinnerungen hinüber.
Vielleicht, was mir manche Nachbarn vorwerfen, bin ich nicht der Gemüsegärtner, den meine Vorfahren spielten, doch übernommen habe ich die Freude daran, Dingen beim Wachsen zuzusehen und auch eigenes zu erschaffen. Bei mir sind es eben eher Blumen, Rosen vor allen und Blaubeeren sowie kleine rote Äpfelchen und ein schöner Garten ist für mich einer, der nicht zu vorhersehbar ist, daher hasse ich leergeräumte Gärten.
Es wäre schön, wenn es mehr Menschen in meinem Wachleben gäbe, die dies auch zu schätzen wüssten, dann hätte ich vielleicht auch weniger Alpträume.