Die alltägliche Waldshuter Verkehrs-Katastrophe

Zwischen Tiengen und Waldshut stauen sich oft kilometerweit Lastwagen auf - wie auch am Mittwoch, den 20. März 2024 (Foto: Martin Dühning)
Zwischen Tiengen und Waldshut stauen sich oft kilometerweit Lastwagen auf - wie auch am Mittwoch, den 20. März 2024 (Foto: Martin Dühning)

Waldshut ist eigentlich eine beschauliche Provinzstadt, doch mit dem Verkehrschaos einer Metropole. Eigentlich ist das ein Unding, aber das ist hier „normal“.

An manchen Tagen wundere ich mich darüber, wie eine so kleine Stadt wie Waldshut es schafft, dass man in ihr gute Stunden im Stau verbringen muss. Obwohl die Anzahl an Verkehrswegen und Straßenführungen begrenzt ist, sind die Straßen so wunderbar ungünstig verbunden, dass es fast jeden Tag Verkehrschaos gibt. Insofern war Waldshut auch meine erste Wahl, als ich vor einigen Jahren den PKW-Führerschein machte, denn nirgendwo sonst auf dem Land kann man so herrlich Großstadtverkehr erleiden. Provinzstädte sehnen sich ja oft danach, ein wenig metropolitisch zu sein – zumindest, was die Verkehrsdichte angeht, hat es Waldshut geschafft, auch großen deutschen Städten Konkurrenz zu machen. Zu Übungszwecken beim Fahrenlernen ist das praktisch.

Das alltägliche Verkehrschaos ist es aber auch, was dazu geführt hat, dass ich das Auto seither auf meinem täglichen Weg zu meiner Arbeit in Waldshut eigentlich nie benutze. Denn man käme nicht gut an. Fast täglich bilden sich beim Lonza-Kreisel zwischen Tiengen und Waldshut kilometerlange Staus, verursacht durch den übermäßigen Lastwagengüterverkehr, der die Zollstelle in Waldshut überfordert. Die Folge ist, dass Lastwagenkolonnen über weite Strecken die Zufahrtswege versperren, manchmal bis nach Gurtweil, was die einzige Ausweichmöglichkeit wäre. Es reicht auch, dass einer der Lastwagenfahrer die Geduld verliert und vorzeitig in den Kreisverkehr hinein fährt, dann ist der Verkehr auch im Gegenverkehr komplett blockiert, bis die Verkehrspolizei eingreift.

Und selbst wenn die Straßenführung nicht blockiert wäre und man einfach durchfahren könnte, findet man in Waldshut nur schwer Parkplätze. Selbst mit Berechtigungskarte, die nicht jeder erhält, müssen meine Kollegen bei der Schule dreifach hintereinander parken, eine Art Reallife-Tetris. Man sollte auch nicht versuchen, ohne Berechtigungskarte auf den Plätzen wild zu parken, denn der einzige Stadtdienst, der in Waldshut hervorragende Leistungen erbringt, ist der Ordnungsdienst, der die Strafzettel verteilt. Das ärgert hauptsächlich die Deutschen, die Schweizer Wildparker sind über die deutschen Spottpreise – auch bei Knöllchen – einfach nur belustigt. So macht Autofahren überhaupt keinen Spaß mehr.

In dieser Situation wäre eine funktionierende Schienenverbindung eigentlich die Rettung. Laut Fahrplan sind es 7-9 Minuten vom Bahnhof in Oberlauchringen bis Waldshut. Theoretisch. Praktisch kann man sich auf die Hochrheinbahn leider nicht verlassen. Ich pendle an fünf Wochentagen nach Waldshut und zurück, das sind zehn Fahrten. In der Regel fallen von diesen allerdings zwei aus, das entspricht 20%. Und das ist im Übrigen auch dann der Fall, wenn die Bahn mal nicht streikt. Solche Zustände sind eigentlich unhaltbar, aber zu klagen hilft nicht viel, denn Beschwerden kümmern niemanden. Hier ist das einfach „normal“. Oft wird man dann auf die vielbeschworene Elektrifizierung der Hochrheinbahn verwiesen – diese wird das Problem aber nicht lösen, viele Ausfälle sind nämlich darauf zurückzuführen, dass die eingleisige Strecke blockiert ist, weil man auf Gegenzüge warten muss. Findigerweise, damit die Verspätung nicht in die Statistik eingeht, lässt man die entsprechenden regionalen Zugverbindungen gleich ganz ausfallen. Denn wie immer in Deutschland ist alles gut, wenn nur die Statistik stimmt. Auch nach der Elektrifizierung wird dieses Problem bleiben, wenn nicht irgendjemand einmal diese Praxis unterbindet und die Strecke zweigleisig ausbaut.

Solange die Dinge so sind, wie sie sind, sind die Pendler in Waldshut der normativen Macht des Faktischen hilflos ausgeliefert. Es gibt nur zwei Auswege aus der Misere: Die erste ist der Bus, der aber gut 30 Minuten braucht. Die werden auch nur deswegen eingehalten, weil die Busfahrer in ihrer Not den Lonza-Kreisel-Stau kurzfristig umgehen, teils verkehrstechnisch etwas abenteuerlich, indem sie den Lonzakreisel spontan umgehen (womit sie dann auch die entsprechenden Bushaltestellen überspringen). Anders kämen aber die Busse nie im Waldshuter Busbahnhof an.

Die zweite Möglichkeit ist das Fahrrad. Denn die Radwege zwischen Tiengen und Waldshut sind in der Regel als einzige nicht blockiert. Man muss in Waldshut selbst allerdings mit der typisch deutschen Gepflogenheit rechnen, dass die Radwege in der Stadt in abenteuerlicher Weise Fahrbahnen schneiden, in Gegenrichtung durch Einbahnstraßen führen oder auch manchmal einfach abrupt enden. Ein bisschen Mut gehört in Deutschland schon dazu, wenn man Fahrrad fährt.

Aber irgendwie muss man ja ankommen bei der Arbeit…

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Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.