Im Anfang war das Wort

Das Licht der Welt (Foto: Arthur Ogleznev via Pexels)
Das Licht der Welt (Foto: Arthur Ogleznev via Pexels)

Vielen modernen Christen gilt der Evangelist Johannes als zu verkopft und zu weit weg vom historischen Jesus von Nazareth. Und doch zählen seine Texte berechtigterweise zu den besten des Neuen Testaments.

Es gehört zu den absichtlichen(!) Eigenheiten des Christentums, dass es nicht nur eine Schrift und eine Sichtweise auf die Botschaft Jesu vom Reich Gottes gibt, sondern viele, in denen sich die göttliche Offenbarung prismatisch bricht. Daher gibt es auch nicht nur die eine Sicht auf die Dinge, sondern viele – und es verbietet sich, „Steinbruchexegese“ zu betreiben, indem man nur das eine als gültig betrachtet und das andere nicht.

Jeder der vier kanonischen Evangelisten der Bibel, Markus, Matthäus, Lukas und Johannes, hat daher seinen Platz, wo er sein persönliches Programm darstellen kann. Was bei Markus das Messiasgeheimnis ist, bei Lukas Sozialkritik, das ist bei Johannes sein Entwurf, welcher die Botschaft Jesu in eine philosophische Gesamtsicht einbinden will. Dadurch wird Jesus bei ihm zum Weisheitslehrer.

Der Prolog des Johannesevangeliums zählt mit zu den schönsten Texten der Bibel. Ich habe ihn daher vertont, wie seinerzeit schon die Passion bei Markus.

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Das Evangelium nach Johannes, Prolog (Joh 1,1-1,18)

„Im Anfang war das Wort
und das Wort war bei Gott
und das Wort war Gott.
Im Anfang war es bei Gott.

Alles ist durch das Wort geworden
und ohne das Wort wurde nichts,
was geworden ist.

In ihm war das Leben
und das Leben war das Licht der Menschen.
Und das Licht leuchtet in der Finsternis
und die Finsternis hat es nicht erfasst.

Es trat ein Mensch auf, der von Gott gesandt war;
sein Name war Johannes.
Er kam als Zeuge um Zeugnis abzulegen für das Licht,
damit alle durch ihn zum Glauben kommen.
Er war nicht selbst das Licht,
er sollte nur Zeugnis ablegen für das Licht.

Das wahre Licht,
das jeden Menschen erleuchtet,
kam in die Welt.
Er war in der Welt
und die Welt ist durch ihn geworden,
aber die Welt erkannte ihn nicht.

Er kam in sein Eigentum,
aber die Seinen nahmen ihn nicht auf.
Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht,
Kinder Gottes zu werden,
allen, die an seinen Namen glauben,
die nicht aus dem Blut,
nicht aus dem Willen des Fleisches,
nicht aus dem Willen des Mannes,
sondern aus Gott geboren sind.

Und das Wort ist Fleisch geworden
und hat unter uns gewohnt
und wir haben seine Herrlichkeit gesehen,
die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater,
voll Gnade und Wahrheit.

Johannes legte Zeugnis für ihn ab und rief:
Dieser war es, über den ich gesagt habe:
Er, der nach mir kommt, ist mir voraus, weil er vor mir war.

Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen,
Gnade über Gnade.
Denn das Gesetz wurde durch Mose gegeben,
die Gnade und die Wahrheit kamen durch Jesus Christus.

Niemand hat Gott je gesehen.
Der Einzige, der Gott ist
und am Herzen des Vaters ruht,
er hat Kunde gebracht.“ (Joh 1,1-1,18)

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Eine kurze und lesenswerte Auslegung des Prologs von Pater Philipp König findet sich auf katholisch.de unter dem Titel „Gottes schönstes Wort“ .

Über Martin Dühning 1507 Artikel
Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.