Trinitatis

Hauptschiff von St. Trinity, Llandudno (Foto: Martin Dühning)

Trinitatis, der Sonntag nach Pfingsten, ist der Trinität, auch Dreifaltigkeit genannt, gewidmet. Das Thema „Trinität“ ist theologisch schwierig, weshalb dieses Fest noch unverstandener ist als Pfingsten.

Schon Pfingsten entzieht sich dem Selbstverständnis des modernen westlichen Menschen, obschon es das zweitwichtigste Fest der Christenheit ist nach Ostern. Die Trinität aber taugte historisch mehr als Streitpunkt denn als ein Grund gefeiert zu werden – obwohl sie für das christliche Selbstverständnis unerlässlich ist.

Das Christentum definiert sich durch die Glaubenssätze, dass es nur einen Gott gibt, der Himmel und Erde erschaffen hat, Jesus Christus aber sein eingeborener Sohn ist („gezeugt, nicht geschaffen“) und Gott auf Erden auch heute im Heiligen Geist wirkt:

Wir glauben an den einen Gott,
den Vater, den Allmächtigen,
der alles geschaffen hat, Himmel und Erde,
die sichtbare und die unsichtbare Welt.

Und an den einen Herrn Jesus Christus,
Gottes eingeborenen Sohn,
aus dem Vater geboren vor aller Zeit:
Gott von Gott,
Licht vom Licht,
wahrer Gott vom wahren Gott,
gezeugt, nicht geschaffen,
eines Wesens mit dem Vater;
durch ihn ist alles geschaffen.
Für uns Menschen
und zu unserem Heil
ist er vom Himmel gekommen,
hat Fleisch angenommen
durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria
und ist Mensch geworden.
Er wurde für uns gekreuzigt unter
Pontius Pilatus,
hat gelitten und ist begraben worden,
ist am dritten Tage auferstanden
nach der Schrift
und aufgefahren in den Himmel.
Er sitzt zur Rechten des Vaters
und wird wiederkommen in Herrlichkeit,
zu richten die Lebenden und die Toten;
seiner Herrschaft wird kein Ende sein.

Wir glauben an den Heiligen Geist,
der Herr ist und lebendig macht,
der aus dem Vater (und dem Sohn) hervorgeht,
der mit dem Vater und dem Sohn zugleich angebetet und verherrlicht wird,
der gesprochen hat durch die Propheten,
und die eine, heilige, katholische / christliche / allgemeine und apostolische Kirche.

Wir bekennen die eine Taufe zur Vergebung der Sünden.
Wir erwarten die Auferstehung der Toten
und das Leben der kommenden Welt.

Amen.

– Text des Nicäno-Konstantinopolitanum, zitiert nach Wikipedia.

Diese drei Wahrheiten bilden Glaubenserfahrungen ab, doch diese Glaubenserfahrungen kollidieren mit dem westlich-griechischen Weltbild. Darin besteht das Vertrackte des Trinitäts-Konzepts: Wie kann es sein, dass drei Kräfte wirken, wenn aber doch nur ein Gott ist? Gleichzeitigkeit und die Umkehrung von Kausalitäten waren im Weltbild der griechischen Philosophie nicht vorgesehen – doch es war genau diese griechische Philosophie, welche die christlichen Lehren des ersten Jahrtausends prägten. Die Trinität ist so gesehen ein Versuch, Glaubenserfahrungen mit der Philosophie in Einklang zu bringen.

Insofern verwundert es nicht, dass das Konzept der Trinität historisch und auf die Welt betrachtet so umstritten war. Wenn ich ein nichtlineares Weltbild und Zeitkonzept vertrete, oder auch die Kausalität infrage stelle, benötige ich das Konzept der Trinität nicht, ebenso wenig, wenn ich die Gültigkeit der griechischen Philosophie im Gottesglauben ablehne, wie das beispielsweise der Islam in seiner Entstehungszeit tut. Das Problem ergibt sich scheinbar ohnehin nicht, wenn ich in Jesus nur eine prophetische Figur sehe, die keinen Anteil an der Göttlichkeit selbst hat, was beispielsweise den Arianismus vom westlichen Christentum unterscheidet. Allerdings löst der Verzicht auf die göttliche Natur Jesu das Problem nur scheinbar – weil wir dann immer noch zwei Wirkmächte Gottes gleichzeitig haben – den allmächtigen Gott und seinen lebendigen „Spiritus“ im Menschen, den Heiligen Geist. Auch dies könnte man vernachlässigen, wenn beide immer in Eins gingen – doch das christliche Konzept sieht vor, dass der Mensch Tempel des Heiligen Geistes ist, der Mensch aber auch eine absolute Willensfreiheit besitzt, also auch mit seinem Glauben ringen kann, ohne Gottes Geist zu verlieren. Dadurch können Situationen entstehen, wo wir es augenscheinlich mit zwei nicht synchron laufenden Wirkmächten Gottes zu tun haben.

Dieses Konzept versucht die Trinität dadurch zu lösen, dass sie behauptet, dass Menschen Gott einfach in drei „Personen“ erfahren. „Persona“ ist dabei ein Wort, was in der ursprünglichen Bedeutung auf die Maske im Theater anspielt, insofern geht es bei der Trinität vorrangig auch um die Wirklichkeitserfahrung durch Menschen – als solche betrachtet, bietet sie eine durchaus nützliche Unterscheidung der Fälle, wie Menschen Gott erleben können: Im Wirken des Schöpfungsgottes, der die Welt lenkt, in der Lebensgeschichte und den Worten von Jesus Christus und in seinem – auch im Alltag erfahrbaren – Wirken als Heiliger Geist im Menschen (oder, wenn man es weiter fasst: als Lebenskraft in der Schöpfung).

Riskanter wird es, wenn ich mit der Trinität daran gehe, Gottes Wesen zu charakterisieren. Hier muss man wirklich zur Vorsicht raten, weil das Wesen Gottes, wie beispielsweise auch die Mystiker betonen, sich dem menschlichen Verstand letztlich entzieht bzw. nicht vollständig erfassbar ist. Man darf aber darauf hinweisen, dass es, wenn Glauben eine vernünftige Basis haben soll, erlaubt ist, bis an die Grenzen seiner eigenen Vernunft zu gehen, wenn es darum geht, so etwas wichtiges wie den Grund des Glaubens zu verstehen. Und als solchen Versuch darf man das Konzept der Trinität verstehen.

Nun hat sich die Philosophie in den vergangenen zwei Jahrtausenden weiterentwickelt – zumindest darf man dieser Meinung sein, wenn man kein Neoplatoniker ist – insofern kann man heute zumindest das antike Weltbild hinterfragen, welches dem Konzept der Trinität zugrunde liegt: Ist die Welt und die Zeit wirklich linear? Müssen wir bei Wirkmächten in der Welt immer davon ausgehen, dass sie strikt auf eine Ursache zurückzuführen sind, die sich penibel genau an Kausalitäten hält, zumal wenn es um einen Gott geht, der nicht an seine Schöpfung und deren Regeln gebunden ist? Wahrscheinlich darf man daran zweifeln. Mit einem multi-kausalen und nicht strikt linearen Weltbild benötige ich die Trinität als Erklärungsmodell jedoch nicht. In einem solchen lässt sich das Wirken Gottes auch ohne eine Trennung in Personen erklären.

Wozu dann also noch das Fest Trinitatis? Ganz einfach, weil es bei der Trinität eben vorrangig auch um Glaubenserfahrungen geht, nicht bloß um Erklärungen, und diese Erfahrungen verlaufen für glaubende Christen weiterhin auf drei Schienen: der Schöpfungstheologie, dem in der Bibel und in seinem Sohn handelnden und erfahrbaren Gott und im auch gegenwärtig erfahrbaren Wirken des Heiligen Geistes in den Menschen, die Gottes Kinder sind. Sofern man das Christentum ernst nimmt, darf man keinen dieser Aspekte vernachlässigen, schon gar nicht die Erfahrbarkeit Gottes im Heiligen Geist – symbolisiert durch das Pfingstereignis. Insofern ist Trinitatis wirksam vor allem als Fest der Gotteserfahrung, die von uns Menschen her betrachtet wird. (Denn nur, wenn der Glaube menschlich erfahrbar ist, kann er gelebt werden.)

Das macht dann auch Trinitatis zu einem zwar weithin unverstandenen, aber sehr wichtigen Fest, so wichtig, dass man fast alle weiteren Sonntage Trinitatis hintan stellt, was man an der liturgischen Zählung ablesen kann. Denn jeder Sonntag nach Trinitatis entfaltet einen Aspekt der Erfahrbarkeit des dreifaltigen Gottes für die Menschen, die an ihn glauben.

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Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.