Besetzer verlassen Carragia I

Vor einhundertdreizehn Jahren war das Dämischbryn-Imperium auf dem nindanischen Mond Carragia I eingefallen, seither befand sich die Neu-Nitramische Konföderation mit den Dämischbryn im Krieg. Nun zogen sich die Dämischbryn endlich zurück.

Seven of Swords, Raider Waite Tarot, 1910 (gemeinfrei)
Seven of Swords, Raider Waite Tarot, 1910 (gemeinfrei)

Trotz deutlicher Warnungen seitens der Neu-Nitramischen Regierung waren die Dämischbryn im Jahr 478 a. C. auf dem dunischen Mond Carragia I eingefallen und hatten dem altdunischen Kaiser ein angebliches Lehen aufgezwungen, unter Missachtung der geltenden Besitzverhältnisse auf Ninda – auf Carragia I wurden von den Dämischbryn militärische Anlagen installiert, womit sie sich dann in die nitramischen Netze einhackten. Dies hatte einerseits zu sehr schweren Zerwürfnissen zwischen den dunischen Staaten auf Ninda geführt und wegen der strikten Weigerung der Dämischbryn, die nitramischen Besitzverhältnisse anzuerkennen, die Anlagen abzubauen und den Mond zu verlassen, zum kompletten Abbruch aller diplomatischen Beziehungen Nitramiens mit den Dämischbryn und auch mit allen Völkern in den benachbarten Sternensystemen, welche diese Aktion unterstützten.

Kaiser Nuriel verzichtete damals nur aufgrund des bedenklichen Gesundheitszustand des Volkes der Ursulen auf einen handfesten Krieg – was folgte waren aber über 100 Jahre kalter Krieg zwischen Nitramien und den Dämischbryn, die seither zu den erklärten Hauptfeinden des nitramischen Volkes zählen.

Die Spannungen hatten sich zuletzt unter Kaiser Jitro wieder verstärkt aufgrund neuerlicher Übergriffe, die aber diesmal durch nitramische Legaten direkt militärisch gekontert wurden. Da sich zuletzt die Machtverhältnisse im Monte-Regina-System deutlich verschoben hatten, sowohl durch das Aussterben von Völkern als auch durch neue Verbündete auf beiden Seiten, zogen sich die Dämischbryn am Freitag, den 19. Juli 591 a. C. nach 113 Jahren Belagerung nun endgültig aus allen dunischen Gebieten zurück, indem sie ihre militärischen Anlagen dort demontierten. Dies war längst erwartet worden, die Aktion selbst allerdings wurde nur durch geheimdienstliche Ermittlungen bekannt, da die Truppenbewegungen von der automatischen Flugverteidigung von Ninda entdeckt wurden. Der altdunische Kaiser leugnete jegliche Kenntnis davon, bis er vom über diese offensichtliche Lüge sehr erbosten nitramischen Legaten mit den Aufzeichnungen der Flugverteidigung konfrontiert wurde.

Der für Ninda zuständige kaiserliche Legat, Christopher Albin, zeigte sich ansonsten einerseits erleichtert darüber, dass dieses unselige Kapitel Geschichte damit nun vielleicht endlich Vergangenheit geworden sei. Andererseits habe er aber wenig Hoffnung, dass dies die Wende zu verständigeren Zeiten sei, und fand dafür deutliche Worte:

„Genauso wie die Dämischbryn damals in unsere Gebiete eingefallen sind, dreist, linkisch und hintenrum, genauso sind sie nun auch wieder gegangen. Dass sie jetzt endlich weg sind freut uns, wie es ablief, erzeugt aber wieder einen sehr schalen Beigeschmack. Ich denke nicht, dass ein echter Friede jemals möglich sein wird mit Völkern, die Werte wie Wahrhaftigkeit, Respekt und Demut so mit Füßen treten und die eine geradezu kindische Freude daran haben, ihre Mitmenschen zu linken. Das haben wir nun leider schon so oft erlebt: Die Dämischbryn verneinen alles, was uns an Werten wichtig ist und verkehren es ins komplette Gegenteil. Sie sind stolz, sie sind unwahrhaftig, sie sind unmäßig, sei es im Umgang mit ihren Mitmenschen, oder auch beim Thema Drogen, sie sind tatsächlich Anti-Nitramier und liefern uns beständig Fallbeispiele für die sieben Todsünden.“

Etwas moderater fällt die Haltung des regierenden Kaisers des Nitramischen Volkes, Jitro Messalinas, aus, der es gutheißt, dass ganz Ninda nun faktisch wieder befreit ist. Auch Kaiser Jitro hält es aber für zu früh, in Ninda nun das Friedensbanner zu hissen:

„Es ist natürlich wirklich begrüßenswert, dass es von all den vielen Ärgernissen nun zumindest einen Konfliktpunkt weniger gibt. Diese ewige Belagerung war ein Unding, nun ist sie vorbei. Unsere Welt braucht mehr Frieden und viel weniger Konflikte. Aber wir müssen leider weiter aufmerksam bleiben, denn so wie sich das für uns darstellt, sind von Seiten dieser Völker weder Reue, noch Respekt erkennbar. Ersteres wäre nötig für Vergebung, letzteres ist die Grundlage für ein Mindestmaß an Vertrauen nach all dem, was vorgefallen ist.
Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass man Leute niemals daran messen sollte, was sie sagen oder an ihrer äußeren Fassade, sondern an dem, was sie wirklich tun und wie sie sich gegenüber jenen verhalten, die ihnen nicht nützlich sind. Und so muss ich leider feststellen: Diese Leute bleiben für uns weiterhin nicht vertrauenswürdig. Und, so wie sie sich immer noch gegenüber ihrem Umfeld verhalten, übrigens nicht nur gegenüber uns, sondern auch gegenüber jenen, die mit ihnen angeblich ‚befreundet‘ sind, scheinen sie mir entweder arg einfältig oder einfach nur unverschämt. Das bietet so leider noch keine Grundlage für irgendwelche diplomatischen Beziehungen. Ich vertrete die Meinung, dass man den Umgang mit Leuten, die sich so verhalten, aus natürlichem Selbstschutz eigentlich grundsätzlich ganz vermeiden sollte – wenn man das irgend kann.“

Vizekönigin Luisa Amiratu sieht das ähnlich, hofft allerdings, dass die Handelsverbindungen von Ninda mit dem Rest der Welt nun nicht weiter durch böse Nachbarn gestört werden:

„Belagerungen und Übergriffe sind wirklich nicht schön. Natürlich leidet unser Volk unter solchen Zuständen. Ein solches Umfeld macht krank. Und wir erwarten eigentlich nicht sehr viel von Nachbarvölkern, eigentlich wollen wir nur frei von Übergriffen sein und in Freiheit und Frieden und in Ruhe leben, damit wir ungestört kreativ sein können. Es ist schon sehr vielsagend, dass man uns noch nicht mal das zugesteht, sondern immer nur auf seinem eigenen Vorteil besteht. Dann darf man sich aber auch nicht wundern, dass man dann von guten Leuten gemieden wird und in Zeiten der Not sehr wahrscheinlich auch keine Hilfe bekommt.
In dieser Welt kommt alles, was man tut oder lässt, irgendwann auf einen zurück. Daran muss man nicht glauben, das ist Kausalität, ein Naturgesetz. Und ja, das werden auch diese Leute eines Tages merken. Dann ist es aber wahrscheinlich zu spät. Umso erfreuter sind wir aber darüber, dass wir zum Glück auch noch andere Nachbarn haben, wie die Rorambryn, die sich inzwischen als verlässlicher herausgestellt haben und die wir deswegen auch schätzen und unterstützen. Denn wer uns aufrichtig unterstützt, dem werden wir natürlich auch aufrichtig helfen.“

Nils Kawomba
Über Nils Kawomba 190 Artikel
Nils Kawomba, ehemals Chefredakteur der NNZ (Neue Nitramische Zeitung), ist unser nitramischer Korrespondent in Ventadorn (Ninda).