Neue Gesichter mit InZOI

Rechtzeitig zur Gamescom 2024, die vom 21. – 25. August wieder in Köln stattfindet, hat Krafton eine Demo des Charaktereditors seiner neuen Live Simulation „InZOI“ veröffentlicht.

Der Demo-Charaktereditor von InZOI, den Krafton zur Gamescom 2024 vorführte, zeigt, wohin die Reise geht...
Der Demo-Charaktereditor von InZOI, den Krafton zur Gamescom 2024 vorführte, zeigt, wohin die Reise geht…

Lebens-Simulationen

Bislang beherrscht ein Spiel das Genre der Lebenssimulationen – „Die Sims“, die derzeit in ihrer vierten Generation vorliegen. Leider hat Publisher EA seine Cashcow inzwischen ziemlich leer gemolken, andererseits die Entwicklungsabteilung tot gespart, sodass ein „Die Sims 5“ in weite Ferne gerückt ist, und ob es ohnehin mehr gewesen wäre als ein neuerlich Aufguss, das darf bezweifelt werden. Insider wissen, dass „Die Sims 3“ mit seiner offenen Spielwelt und seinen benutzerdefinierbaren Mustern und Stilen der 4er-Generation noch heute überlegen ist. Aber warum wirklich etwas neues entwickeln, wenn die Sims-Fans sich ohnehin den selben Aufwasch (samt sämtlicher Erweiterungen) für teures Geld immer wieder neu aufschwatzen lassen.

Damit sind aber nicht alle Computerspieler einverstanden und auch einige Entwicklerstudios sahen da Potential – so starteten in den vergangenen Jahren einige Game-Projekte, die endlich eine zeitgemäße Lebenssimulation herausbringen wollen, sie heißen AlterLife, Life by You, Paralives und InZoi. Doch das Genre scheint ein schwieriges Pflaster zu sein, was man daran sehen kann, dass nicht nur EA die Entwicklung eines „Die Sims 5“ erst mal auf Eis gelegt hat, sondern auch „Life by You“, das im Frühsommer überraschend gecancelt wurde. Wahrscheinlich hat dessen Publisher nach dem Desaster mit „Cites Skylines 2“ den Notschalter betätigt.

Bleiben also noch drei Kandidaten im Rennen: Einer davon, das koreanische InZOI, wird derzeit in Gamerkreisen heiß gehandelt, da es schon recht weit fortgeschritten scheint. Im Rahmen der diesjährigen Gamescom hat Krafton, die das Spiel entwickeln, nun eine zeitlich beschränkte Demo des Charaktereditors veröffentlicht, quasi als Ausblick darauf, was zu erwarten ist. Die Demo ist noch bis zum 26. August 2024 bei Steam kostenlos erhältlich. Danach wird sie wieder deaktiviert.

Der Demoeditor von InZoi

Die Installation des Charaktereditors benötigt etwa 19 GB Festplattenplatz und setzt eine halbwegs gute zeitgenössische Rechnerausstattung voraus. Überraschenderweise startet das Programm in einer deutschen Sprachversion – was so nicht angekündigt war. Nach einem Intro in das Programm findet man sich an einem virtuellen Arbeitsplatz wieder. Von dort aus kann man die Charaktererstellung beginnen.

Startbildschirm von InZOI - Stand August 2024 - von hier aus kann man in den Demo-Charaktereditor starten.
Startbildschirm von InZOI – Stand August 2024 – von hier aus kann man in den Demo-Charaktereditor starten.

Man muss sagen, gegen die wirklich überraschend realistische Unreal-Grafik von InZoi sieht „Die Sims“ aus wie aus dem letzten Jahrhundert. Das fordert natürlich auch von der Hardware ihren Tribut, aber das Ergebnis sieht wahrlich beeindruckend aus. Inhaltlich fährt InZOI aber in bekannten Wassern.

Der Charaktereditor von InZOI entspricht dank Unreal Engine dem aktuellen Stand der Technik
Der Charaktereditor von InZOI entspricht dank Unreal Engine dem aktuellen Stand der Technik
Vor allem Gesichter sehen in InZOI deutlich detaillierter und realistischer aus als in allen anderen bisherigen Simulationen.
Vor allem Gesichter sehen in InZOI deutlich detaillierter und realistischer aus als in allen anderen bisherigen Simulationen.

Man merkt, dass das Spiel für einen koreanischen Kundenkreis zugeschnitten ist, und zwar auf einen, der junge Erwachsene bevorzugt, denn darauf sind die Charaktere hin optimiert und auch die Modestile – und darunter sind natürlich auch weibliche Wesen überrepräsentiert. Man kann sagen, das Spiel simuliert eine typische koreanische Daily Soap. Dabei bleibt das Programm aber auch modisch etwas zu zeitgemäß: Es ist wirklich schwer, Kleidungen zu finden, die halbwegs tragbar und doch NICHT bauchfrei sind, die Hosenschnitte entsprechen allesamt den modischen Eigenheiten der Post-Corona-Ära, alternative Modestile gibt es kaum.

Immerhin ist das Programm von vornherein so konzipiert, dass sich fast alle Kleidungsstücke (und auch die Frisuren) für beide Geschlechter verwenden lassen. Es gibt auch eine Unterrubrik, die darauf hinweist, dass man vielleicht in der Endversion auch selbst Modestile gestalten kann, was recht interessant klingt. Trotzdem hat man (aktuell) mal wieder deutlich weniger Auswahl, wenn man keine Frau in ihren 20ern spielen möchte. Es ist davon auszugehen, dass für diese Benutzergruppe auch der Rest des Spieles zugeschnitten ist.

Damit kann man, was Charaktererstellung angeht, die gleichen Kritikpunkte aufführen, die seinerzeit auch gegen den Charaktereditor von „Die Sims 4“ ins Feld geführt wurden: Teenager und Kleinkinder fehlen ganz, Senioren und Kinder bieten viel weniger Optionen. InZOI ist hier vielleicht sogar etwas extremer, was man daran erkennt, dass die „Kinder“ eher alibi-haft ins Programm integriert sind. Hier kann man die Gesichter nämlich (noch) gar nicht anpassen und muss mit den Voreinstellungen vorlieb nehmen, auch die Kleidungsstücke sind deutlich begrenzter.

Kinder kann man leider noch nicht wirklich anpassen, hier muss man mit vordefinierten Köpfen vorlieb nehmen, was sehr schade ist.
Kinder kann man leider noch nicht wirklich anpassen, hier muss man mit vordefinierten Köpfen vorlieb nehmen, was sehr schade ist.

Um Doctor Who, Folge „Silence in the Library II“ zu zitieren: „Bei Simulationen wird Speicherplatz gespart, deshalb sehen alle Kinder gleich aus“.

Switcht man zwischen den Altersstufen, vergisst der Editor in seiner Demoversion auch die vorigen Einstellungen – wahrscheinlich ist die digitale Genetik hier noch nicht implementiert. Immerhin muss man für die erwachsenen Modelle sagen, dass man hier die Gesichter sehr detailliert anpassen kann. Es soll sogar die Möglichkeit geben, wenn man ein iOS-Handy besitzt, echte Gesichter zu scannen um sie ins Programm zu integrieren (warum auch immer man das wollen sollte). Was die Körpergestaltung antrifft, fällt auf, dass es hier momentan noch viel weniger Möglichkeiten gibt, den Charakter anzupassen, als in „Die Sims 4“. Was leider auch in InZOI nicht geht, anders als in vielen RPG-Editoren – ist, die Körpergröße (Höhe) anzupassen. Hier hat man sich wahrscheinlich auch zu sehr von der Konkurrenz bei EA inspirieren lassen, die lapidar alle diesbezüglichen Wünsche mit der Bemerkung quittierten: „Sowas geht nicht, wegen des Motion Capturing“. Das stimmte schon damals nicht, aber mit der Unreal-Engine sollte das gar kein Problem mehr sein. Hoffen wir mal, dass InZOI es später noch implementiert.

Einen deutlichen Kritikpunkt von „Die Sims 4“ geht InZOI immerhin schon jetzt direkt an: Man kann eigene Texturen für die Kleidungsstücke (und später wohl auch Möbel) erstellen, und paar per „KI“. So kann man sich mit KI beispielsweise Paisley-Muster kreieren lassen, die es im Spiel so sonst nicht gibt und ganz eigene Stile erkunden. Das klingt sehr vielversprechend und führt auch zu hübschen Ergebnissen.

InZOI kann auch per KI eigene Texturen per Knopfdruck generieren. Das machte das Spiel gleich viel individueller.
InZOI kann auch per KI eigene Texturen per Knopfdruck generieren. Das macht das Spiel gleich viel individueller.

Auch sonst verfügt der Charaktereditor über einige Goodies, die man so bislang noch nicht kannte, wie beispielsweise einen „Fotomodus“, also ein kleines Fotostudio, indem man seine selbsterstellten Charaktere im Stile einer Fotobox ablichten lassen kann, was zu sehr witzigen Ergebnissen führt, insbesondere, weil die von koreanischen Gepflogenheiten geprägten Gestiken und Mimiken an nichtasiatischen Charakteren teils urkomisch aussehen.

Mit dem Fotomodus des Charaktereditors von InZoi lassen sich auch Fotoszenen ablichten. Allerdings ist die Auswahl der Optionen und Hintergründe noch begrenzt.
Mit dem Fotomodus des Charaktereditors von InZoi lassen sich auch Fotoszenen ablichten. Allerdings ist die Auswahl der Optionen und Hintergründe noch begrenzt.
Koreanische Selfie-Pose im Charaktereditor von InZOI
Koreanische Selfie-Pose im Charaktereditor von InZOI
Virtueller Englischlehrer gefällig? Eigentlich soll die Geste freundliches Posieren eines koreanischen Mädchens. Bei männlichen Charakteren wirkt es etwas bizzar, aber durchaus lustig.
Virtueller Englischlehrer gefällig? Eigentlich soll die Geste freundliches Posieren eines koreanischen Mädchens darstellen. Bei männlichen Charakteren wirkt es etwas bizzar, aber durchaus lustig.

Auch die Kameraeinstellungen kann man bearbeiten, beispielsweise Tiefenschärfe und Fokusbereiche, allerdings vergisst die Kamera alle gemachten Einstellungen sofort wieder – hier ist das Programm, wie auch an vielen anderen Stellen noch nicht fertig. Die Idee ist eigentlich sehr findig, ich finde, Krafton sollte sie deutlich ausbauen.

Fazit

Die Betonung der Demo-Version liegt klar auf den Stärken der Grafik-Engine, deshalb fehlt auch der Bereich Audio völlig – eine Stimme lässt sich noch genauso wenig festlegen wie das Finetuning bei den Charaktereinstellungen. Aber was man hier für die Tage während der Gamescom ausprobieren darf, lässt einen doch immerhin zuversichtlich werden. Hoffen wir, dass das Programm bis zum Early Access noch deutlich ausgebaut wird.

Über Martin Dühning 1522 Artikel
Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.