Rings of Powers, Staffel 2: Wie Butter, auf zu viel Brot verstrichen …

Neuseeland, eine beliebte Kulisse für Fantasy-Filme (Foto: Tyler Lastovich via Pexels)
Neuseeland, eine beliebte Kulisse für Fantasy-Filme (Foto: Tyler Lastovich via Pexels)

Zur ersten Staffel von „Rings of Powers“, Amazons Serie zu Tolkiens Ringen der Macht, hatte ich bereits eine ausführliche Rezension geliefert. Dieser ist auch in Staffel 2 kaum etwas hinzuzufügen.

Schon nach der Staffel 1 von „Die Ringe der Macht“ hatte man als Zuschauer dass Gefühl, dass hier vieles versucht wurde, letztlich aber zu wenig geboten wird – bzw., dass eine Menge Chancen verschenkt wurden. Zwei Grundprobleme hat auch die Staffel 2 der Serie geerbt und nicht wirklich gelöst:

  • Es gibt zu viele Handlungsstränge, die wenig durchwoben wirken, wodurch für die einzelnen Storys letztlich zu wenig Screentime und Tiefe übrig bleibt.
  • Oft liefert die Serie nur Fan-Service, zitiert Peter-Jackson-Stereotype und wirkt zu wenig originell – sieht man von der Grafik und dem Charakterdesign ab.

Insbesondere übel aufgestoßen ist mir die eigentlich lang erwartete Darstellung von Tom Bombadil, der in Staffel 2 eigentlich tatsächlich oft wie ein billiger Cosplayer rüberkommt und dessen Dialoge sich ärgerlicherweise meist anhören, als hätte sie eine KI aus Tolkien-Texten zusammengestückelt. Besonders empörend ist, dass Tom Bombadil, der in der Staffel 2 zum Questgeber für angehende Zauberer heruntergestuft wird, tatsächlich wortwörtlich Gandalf-Zitate bringt, sie kontextuell dabei aber völlig verdreht. Das wird weder Tom Bombadil noch Gandalf gerecht – ersterer ist völlig missverstanden, letzterer wird dadurch zum Plagiator von Tom Bombadil heruntergesetzt. Überhaupt hätte man, betrachtet man die Staffel 2, den gesamten Handlungsstrang, die gesamte Story um den „Fremden“ komplett weglassen können, der, wie jeder Zuschauer schon von Anfang an richtig vermutet hat, in Wirklichkeit nur Gandalf sein kann. Denn nirgends trägt diese Handlung irgendetwas zu den anderen bei. Genauso überflüssig ist die Geschichte des weiblichen Hobbits Nori. Tatsächlich trägt sie auch nichts substantiell zu Staffel 2 bei und verbraucht nur Screentime.

Wirklich positiv wirkt dagegen, was Darsteller Charlie Vickers aus der bei Peter Jackson zu eindimensionalen Sauron-Figur herausholt. Seine durchaus vielschichtige Darstellung des aufsteigenden Bösewichts ist aus meiner Sicht eines der Highlights der Serie, wenngleich auch hier natürlich klar sein muss, was am Ende dabei herauskommt. Charles Edwards Darstellung von Celebrimbor hat mit dem strahlenden Elbenschmied aus Tolkiens Vorlage wenig gemein, ist allerdings durchaus ebenfalls gelungen, wenn man den Machern entsprechende Freiheiten einräumt. Jedenfalls hat er mich mehr überzeugt als die Darsteller von Gilgalad und Elrond. Morffyd Clark als Galadriel ist natürlich immer noch nicht mit der Darstellung von Cate Blanchett zu vergleichen, allerdings finde ich die Erdung dieses ansonsten doch bei Tolkien recht stereotyp beschriebenen Charakters akzeptabel. Es ist wohl ein Anliegen von „Ringe der Macht“, dass die Elben von ihren hohen Thronen herabgeholt und entmystifiert werden sollen. Dies ist story-technisch wohl auch nötig, wenn der latente Dualismus von Gut und Böse durchbrochen werden soll.

Viel interessanter wäre allerdings gewesen, wenn man die Story um die Zwerge von Moria und die um Numenor stattdessen ausgebaut hätte. Von der Story her hätte der Numenor-Plot am meisten Potential geboten, hier eine großartige, neu wirkende Geschichte über den Niedergang des Menschenkönigreiches zu bieten. Diese Chance hat man bei der Amazon-Serie allerdings verschenkt, da die Numenor-Charaktere platt und überaus vorhersehbar wirken. Das ist wirklich schade.

Am ehesten gelungen ist die Geschichte um den Niedergang des Zwergenreiches von Moria. Die Vater-Sohn-Story um Durin III und seinen Sohn Durin IV. (gespielt von Owain Arthur) gehört zu den sehenswertesten Augenblicken jeder Episode. Leider hat man auch diesem Konflikt insgesamt zu wenig Raum geboten, weil sich auch die zweite Staffel von „Rings of Powers“ in ihren zu zahlreichen Handlungssträngen verzettelt. Zwar wandelt man auch hier erzähltechnisch auf den Spuren der großen Vorbilder Tolkien und Peter Jackson. Aber die Autoren der Amazon-Serie verheben sich hier gründlich, denn die Klammer misslingt letztlich in fast jeder Episode, abgesehen von Episode 7, wo es ausnahmsweise mal gelingt, die Brücken zwischen den Einzelhandlungen zu schlagen. Leider fällt die Abschlussepisode wieder in die Schwächen der Serie zurück und enttäuscht als Abschluss.

Amazon, fände ich, wäre wahrscheinlich wesentlich besser gefahren, hätte man statt einer Serie in fünf Staffeln, die sich in zu vielen Handlungssträngen verliert, fünf getrennte Serien gedreht mit jeweils einer Staffel, die dann immer einen Aspekt des gesamten Werdens der Ringe der Macht erzählt hätte:

  1. Eine Serie für Numenor,
  2. eine Serie um das Schicksal der Zwerge,
  3. eine Serie zu Celebrimbor und Sauron,
  4. eine Serie darüber, wie Menschen zu Ringgeistern werden –
  5. und wenn man es denn unbedingt braucht, eine Serie über die Anfänge von Gandalf.

Letzteres auszuerzählen halte ich aber eigentlich für überflüssig. Gandalf, so wie er sich bei Tolkien präsentiert, steht auch ohne einen Lebenslauf für sich, er lebt eigentlich stets in der Gegenwart und nicht in seiner Vergangenheit und hat sich nie groß um seine eigene Biografie geschert (das ist eher so ein Steckenpferd der Elben). Viel interessanter hätte ich es gefunden, wenn wirklich einmal die beiden blauen Zauberer und ihr Scheitern im Mittelpunkt gestanden hätten oder aber der Aufstieg des Hexenkönigs von Angmar.

Auch wenn Amazon inzwischen den Autorenstab der Serie ausgetauscht hat für die dritte Staffel bin ich langsam skeptisch geworden, ob dieses Projekt, jenseits von gefälliger Unterhaltung im Streamingformat, substantiell etwas zum Tolkien-Franchise hinzufügen wird. Insgesamt wirkt, was die beiden ersten Staffeln geliefert haben oft, „als hätte man Butter auf zuviel Brot verteilt“ – um Bilbo Beutlin zu zitieren. Das liegt weniger an der Butter als auch am Brot, aber doch eher daran, wie man die Kost hier dem Zuschauer darreicht. Mir fehlt da etwas die Würze – die individuelle Seele und oft wohl auch der Mut, wirklich neu zu erzählen.

So lange nicht endlich jemand einmal Tolkien jenseits der heroischen Lesart eines Peter Jackson neu interpretiert, kann da nichts besseres herauskommen als Fan-Service. Und das fände ich sehr schade. Denn Tolkien hat eigentlich verdient, dass man auch mal diejenigen Aspekte seines Werkes beachtet, die über die platte Heldenrhetorik deutlich hinausgingen: Zwischenmenschlichkeit, Humor und die verspielte Kindlichkeit, die Figuren wie Tom Bombadil im Original eigentlich ausstrahlen.

Über Martin Dühning 1497 Artikel
Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.

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