Throne and Liberty: recht klassische MMORPG-Kost

Blick auf die Weinberge und die Stadt Vienta in Throne and Liberty (Screenshot)
Blick auf die Weinberge und die Stadt Vienta in Throne and Liberty (Screenshot)

Throne and Liberty, das MMORPG von Amazon Games und NCSoft, wurde zuletzt von der Gaming-Presse als Game-Highlight des Jahres 2024 angepriesen. Dabei liefert es vor allem klassische Kost.

Kennt man bereits andere Spiele der koreanischen Software-Schmiede NCSoft, beispielsweise GuildWars oder Lineage, dann sind Ähnlichkeiten unverkennbar: Auch Throne and Liberty ist in einer Pseudo-Mittelalter-Fantasywelt angesiedelt, wie bei den meisten Games dieser Art ist der Spieler auserkoren, die Welt zu retten. Dabei bedient sich das Spiel fast aller üblicher Klischees.

Grafik und Musik

Sicherlich kommt Throne and Liberty in Sachen Gameengine deutlich moderner daher als seine älteren Verwandten, statt der proprietären Engine, die NCSoft für GuildWars einsetzte, basiert das Spiel auf einer (nicht ganz aktuellen) Variante der Unreal-Engine – wirkt dadurch aber optisch wesentlich opulenter und besonders die Architektur fällt überaus prächtig aus. Leider sind dadurch auch die Hardware-Anforderungen entsprechend in die Höhe geschnellt, GuildWars 2 gab sich im Vergleich deutlich genügsamer und funktionierte auch auf älteren PCs – um in den Genuss der Grafikpracht von Throne and Liberty zu kommen, sollte es aber schon mindest ein Intel Core i5-6500 oder besser mit dezidierter Grafikkarte sein, beispielsweise eine GTX 1660 mit 6GB Speicher. Auf der Festplatte möchte das Spiel mindestens 63 GB Platz haben. Insofern macht es Sinn, es besser gleich auf einer zeitgenössischen Spielekonsole zu installieren. Dort ist allerdings dann die Bedienung teilweise etwas gewöhnungsbedürftig, weil die unzähligen Untermenüs des Spiels ganz offensichtlich nicht für die Konsole ausgelegt sind.

Ein Highlight des Spiels ist sicher auch die Game-Musik, die diesmal vom bekannten Komponisten Benjamin Wallfisch stammt und orchestral eingespielt wurde. Melodisch fühlt man sich bei einigen Titeln, z. B. den beiden Titeltracks „Throne Theme“ oder „Liberty“ an die Narnia-Filme und deren Soundtrack von Harry Gregson-Williams erinnert.

Grafisch ist Throne and Liberty prächtig, das Charakterdesign wirkt aber leider etwas stereotyp und lässt Individualität vermissen (Screenshot)
Grafisch ist Throne and Liberty prächtig, das Charakterdesign wirkt aber leider etwas stereotyp und lässt Individualität vermissen (Screenshot)

Story, Inhalte und Spielmechanik

Was die Story und die Inhalte angeht, bietet Throne and Liberty dagegen hauptsächlich Standard-Kost. Besonders das Charakterdesign mit seinen ziemlich stereotyp wirkenden, alterslosen Charaktermodellen wirkt wenig individuell und etwas aus der Zeit gefallen. Dadurch, dass man nur Menschen wählen kann, kann der Charaktereditor nicht mit aktuellen Titeln wie Dragon Age: The Veilguard oder Dragons Dogma 2 mithalten. Schon Black Desert bot hier vor Jahren deutlich mehr – wenngleich auch dieses Spiel bekanntlich ziemlich geschlechterstereotyp war.

Auch die Story wirkt leider recht austauschbar. Allerdings ist das für ein Asia-MMORPG nicht ganz ungewöhnlich. Typisch für einen Asia-Titel sind die Begleiter mit Knuddelfaktor, bei Throne and Liberty heißen sie Amitoi, die man, wie diverse andere Dinge, sammeln kann. Arg erweiterungsbedürftig ist die Garderobe für die Charaktere, die, selbst wenn man den kostenpflichtigen Store miteinbezieht, überaus dürftig ausfällt. Die im Store gehandelten (vier!) Kleidersets sind für das Jahr 2024 eindeutig zu sexistisch, besonders bei den weiblichen Modellen. Auch sonst wirkt das stereotype Gendering im Spiel überaus plump. So gesehen fällt das Spiel hinter Mindeststandards zurück, die GuildWars2 bereits zehn Jahre zuvor geboten hat. Individualisieren kann man die Charaktere auch nicht wirklich, einfärben lassen sich nur eingekaufte Kleidungssets. Da eine hochwertige Rüstung zu tragen im Spiel quasi vorausgesetzt wird, sehen alle Spielercharaktere letztlich gleich aus. Auch das hat GuildWars 2 bereits vor 10 Jahren besser hinbekommen.

Der Hafen von Vienta - hier kann man auch eine kleine Sightseeing-Tour an der Küste chartern (Screenshot).
Der Hafen von Vienta – hier kann man auch eine kleine Sightseeing-Tour an der Küste chartern (Screenshot).

Ansonsten bietet das Spiel, was man von einem Freetoplay-Titel des Jahres 2024 erwarten kann, hat aber – Stand Oktober 2024 – auch mit einigen typischen Problemen dieser Gattung zu kämpfen, wie beispielsweise Botnetzen, die im Spiel farmen oder trollenden Gilden, die bei Events andere Spieler pken (killen). Zumindest die Bots sind für die Anfangsphase eines Spiels nicht unüblich und dürften sich entfernen lassen. Auch die Trolle werden wohl zum nächsten Titel weiterziehen, sobald das Spiel nicht mehr neu ist, so lange wird das normale Spieler allerdings ziemlich nerven, weshalb ich eigentlich auch nie ein Fan von PvP bin, wenn es mit einer PvE-Welt vermischt wird.

Über weite Strecken erschöpft sich das Spiel auch spieltechnisch in Stereotypen und ist dabei letztlich wenig originell, versucht aber sichtlich, den Spielern von allem etwas zu bieten. Dass es keine Heldenklassen gibt, sondern man im Spiel jede Waffe wählen kann, ist als Konzept nicht ganz neu, zudem ist das Hochleveln nach der Startphase überaus mühsam, weshalb man sich faktisch bereits beim Start gut überlegen sollte, mit welchen Waffen man spielen möchte. Die Kampfmechanik implementiert einige interessante Techniken, besonders bei Kombos und im Teamplay. Statt Mounts (Reittiere) im Spiel hat der Spieler die Möglichkeit, sich selbst jederzeit in Tiere zu verwandeln für Reisen überland, zum Herabgleiten oder durchqueren von Gewässern. Bis zum Level 30 kann man auch die Wegpunkte/Portale im Spiel kostenlos benutzen, danach wird ein Goldbetrag fällig. Die Spielgebiete sind in Level eingeteilt, bei der Verteilung hat man sie so angeordnet, dass die großen Städte für alle Spieler interessant bleiben, weil auch die Startstadt in Reichweite zu höheren Levelgebieten bleiben. Das verhindert, dass die Städte leblos werden. Allerdings gibt es aktuell noch recht wenig Möglichkeiten für die Spieler, jenseits des Chats miteinander zu interagieren, und wenn man an der Konsole spielt, kann man sich auch nur schlecht am Chat beteiligen mangels Tastatur.

Fazit

Positiv ist zu bemerken, dass hinter den Kulissen fleißig am Spiel weitergebastelt wird, weshalb es relativ viele Updates gibt, die Probleme im Spiel patchen und bisweilen auch Features nachliefern. Während die meisten Events relativ konventionell geskriptet sind mit recht generischen Farming-Aufgaben, gibt es bei manchen Quests auch Highlights, beispielsweise die komplett geskriptete Musical-Einlage von Zwerg Henderson, die durchaus lustig und überaus sehenswert ist.

Allerdings fehlt mir persönlich ansonsten oft die feine Ironie und der Humor in den Dialogen, der beispielsweise GuildWars2 zu einem Klassiker machte. Dessen Niveau erreicht Throne and Liberty nirgends.

Daher wage ich zu bezweifeln, dass Throne and Liberty die Spieler so lange fesseln wird wie seinerzeit GuildWars 2, was schon über 10 Jahre alt ist und immer noch eine Große Fanbasis hat – und das, obwohl es nie für die Konsolen erschienen ist und grafisch etwas angestaubt ist.

Über Martin Dühning 1523 Artikel
Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.