Ich bin – gottlob – aufgewachsen in einer Zeit ohne Smartphones und Social Media, auch musste ich nicht in die Ganztagesbetreuung und wurde auch nicht zwangsvertaktet zwischen Schule und zuhause. Stattdessen hatte ich Großeltern und BUNTSTIFTE…
BUNTSTIFTE sind ein weithin völlig verunterschätzter Kinderspaß. Lange Zeit waren sie in der hohen Kunst verpönt, wo man lieber pinselte, wenngleich sich das bereits Ende der 1990er änderte, als mein geliebter Kunsterzieher Roland Ueber sein einstiges Verdikt gegenüber Buntstiftgemälden offiziell im Unterricht revidierte und ihnen künstlerische Materialqualitäten zusprach.
Viel früher, in meiner Kindheit Anfang und Mitte der 1980er war mir die Hohe Kunst aber noch egal, weil die Buntstifte das Mittel meiner Wahl bei der Erschaffung neuer Welten waren (beides gilt heute noch: Ich male vorrangig, um Welten zu erschaffen, und nicht Kunstwerke – und Buntstifte liebe ich immer noch).
Nun wäre es nicht so gewesen, dass meine Mutter nicht auch Pinsel und Farbe verstanden hätte, im Gegenteil, sie war ja selbst lange Jahre Kunstmalerin gewesen, doch die Kinderbetreuung übernahmen damals meine Großeltern Sophie und Otto Jester. Und bei ihnen stand, in ihrem Wohnzimmerschrank ein Glas mit Buntstiften, jeweils eines für meinen Bruder und mich. (Und das tat es noch bis 2012, als meine Oma starb.)
Es waren wahrscheinlich nicht unbedingt die besten Buntstifte, die man uns Kindern gab, Staedler war schon das höchste der Gefühle, und ihre Mienen waren oft brüchig und doch zumindest sehr hart, neigten zum Splittern, sodass man damit eher zeichnete als malte. Und die damit auf bloßen dünnen Briefpapierblöcken gemalten Bilder waren mehr Kritzeleien. Dennoch liebte ich es – bei meinen Großeltern zu sein und Fantasiewelten mit Buntstiften zu verewigen. Es waren oft ewig gleiche Motive von Schiffen, Burgen, Drachen, Königen und Prinzessinnen und die künstlerische Ausfertigung stand oft weniger im Mittelpunkt als die Idee. Allerdings, so über die Jahre und Jahrzehnte, lernte ich Formen und Linien zu unterscheiden, Farben und Muster, vor allem aber Schraffuren, die ich dann in der Oberstufe des Klettgau-Gymnasiums unter fachmännischer Anleitung bis zur Perfektion verfeinerte. In schulischen Werken gab ich mir dann auch handwerklich Mühe, weshalb die Noten oft gut, wenngleich die Farbgebung aufgrund ihrer ausgesprochenen Buntheit nicht immer beliebt war.
Den Spaß an der Kunst und an der Kreativität gewann ich aber in den allnachmittaglichen Zeichensessions bei Oma und Opa. Wäre das nicht gewesen, meiner Welt wäre damals und vor allem auch heute sehr viel öder und eintöniger. Und ich bin sehr dankbar, dass wir in meiner Kindheit keinen Computer und vor allem kein Smartphone hatten und unserem Spiel und unserer Fantasie freien Lauf lassen konnten.
Die grauen Herren kamen zum Glück erst später, als ich sie schon erkennen und kritisch hinterfragen konnte. Da hatte ich dann, zu meiner Verteidigung, schon mehrere dicke Mappen mit meinen eigenen Welterschaffungsentwürfen angefertigt, die besser, bunter und weniger stereotypengeprägt waren als das, was Kindern heute so vorgesetzt wird. Die heutigen Binaritäten sind mir daher zu primitiv, auch, wenn sie noch so perfektionistisch daherkommen.
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