Es ist Dezember, in Südninda ist der Winter eingekehrt und Vizekönigin Luisa Amiratu ist fleißig daran, die Weihnachtsfeierlichkeiten zu organisieren. In einer Mittagspause hatte sie trotzdem Zeit für ein kurzes Interview.
Anastratin.de: Frau Vizekönigin, wie laufen die Vorbereitungen für das Weihnachtsfest?
Luisa Amiratu: Ach, fragen Sie lieber nicht! Jeden Advent aufs Neue ist es dasselbe Problem, dass sämtliche kaiserliche Truppen und selbst die Hilfstruppen ausgelastet sind. Immerhin haben wir die Weihnachtspost aber bereits erledigt. Dieses Jahr war es ja auch weniger.
Anastratin.de: Wie kommt das?
Luisa Amiratu: Das haben wir der föderalen Generalsekretärin zu verdanken, damals war es Veronika de Claes, die seinerzeit angeordnet hat, dass nur noch solche Nationen von uns mit Post versorgt werden, die uns ebenfalls entsprechende Achtung bezeugt haben – Härtefälle wie die Kaiserin Gisela natürlich ausgenommen. Dadurch hat sich unser alljährliches Grußaufkommen auf ein Fünftel reduziert. Da habe ich generell auch nichts dagegen, manchmal hatten wir so das Gefühl, dass wir Briefe für die Mülltonne schreiben.
Anastratin.de: Vielleicht liegt es aber auch daran, dass viele – wie übrigens auch Sie selbst sagen – viel zu tun haben und keine Zeit übrig?
Luisa Amiratu: Bei uns in Nitramien gibt es ein oft zitiertes Sprichwort: ZEIT HAT MAN NICHT, ZEIT MUSS MAN SICH NEHMEN! Sicher, es ist auch eine Frage der Prioritäten. Aber Wertschätzung und zwischenmenschliche Kommunikation sollten in der Wichtigkeits-Skala unseres Lebens schon weit genug oben rangieren. Ich verstehe es, wenn jemand andere pflegen muss oder wenn es jemandem selbst sehr schlecht geht. Aber wer seine Zeit mit überflüssigen Tätigkeiten gegenüber toten Systemen vertut, für den habe ich keinerlei Verständnis. Der deutsche Schriftsteller Lessing hat einmal geschrieben: Kein Mensch muss müssen! Viele Dinge, von denen wir uns einreden, dass wir sie tun MÜSSEN, tut man tatsächlich meist nur, weil man zu fantasielos und denkfaul ist für die Alternative: das Gute WOLLEN. Niemand kann mir sagen, dass er keine Zeit für Glückwünsche und Segensgrüße hat, wenn er sonst den lieben langen Tag an irgendwelchen Bildschirmen herumhängt. Statt sich da hypnotisieren zu lassen, kann man sich auch hinsetzen und seinem Nächsten eine liebe Karte schreiben. Weihnachtsgrüße: Das sind zarte Worte der Macht, die jeder zu sprechen und schreiben fähig ist und sie sind auch notwendig, weil sie uns die dunklen Zeiten erhellen! Und wenn Sie zu geizig sind, jemandem eine Postkarte zu schicken, dann ist Ihnen Freundschaft wohl offenbar auch nichts wert. Dadurch sind Sie es anderen aber womöglich auch nicht wert. Auch Beziehungen zerfallen, wenn Sie sie nicht pflegen. Was Sie tun oder was Sie nicht tun, kommt irgendwann auf Sie zurück. Nennen Sie es Karma, wenn Sie wollen… Sei’s drum, wir haben das berücksichtigt, weshalb wir deutlich weniger Empfänger auserwählt haben dieses Jahr.
Anastratin.de: Liegt das nicht vielleicht daran, dass Post auf Papier inzwischen aus der Mode gekommen ist? Die große weite Welt schreibt heute virtuell und schickt sich virtuelle Grüße.
Luisa Amiratu: Virtuell ist nichts wert. Das sind nur leere Bits. Wenn Sie dann demnächst einen Chatbot Grüße versenden lassen, können Sie es auch gleich ganz bleiben lassen. Da ist keine Kreativität, keine persönliche Wertschätzung enthalten, wenn Sie nur ein paar automatisierte Grußworte per Knopfdruck versenden. Das ist aus meiner Sicht nichts anderes als alternativer Spam. Aber – wenn ich so sehe, wie viele Leute digital degenerieren, zu Konsumzombies werden – wundert es mich auch nicht. Wir dagegen schicken nur wertige Schriftgrüße an besondere Auserwählte, die noch lebendig sind – oder wo wir das zumindest vermuten.
Anastratin.de: Freilich sind die kaiserlichen Postkarten auch sehr teuer.
Luisa Amiratu: Ja, aber sie sind magisch! Die Karten sind von Innen größer als von Außen! Ich kenne wenige Staaten, die bei ihren Weihnachts-Postkarten so wie wir Timelord-Technologie verwenden. Zugegeben, das ist ein hoher Aufwand. Aber Wertschätzung muss man meiner Meinung nach auch fühlen können – und zwar mit allen Sinnen und in allen Dimensionen! Künftig werden wir aber mehr auf heimische Künstler setzen, wir arbeiten hier aber noch daran, damit wir Ergebnisse erhalten, die sich gleichermaßen sehen lassen können. Außerdem gehört das Verfassen von Weihnachtspost zu Weihnachten dazu. Ich selbst schicke jedes Jahr auch soviele Briefe an ausgewählte Bürgerinnen und Bürger, wie ich kann. Unsere nitramische Post arbeitet zudem überaus kostengünstig und zuverlässig. Es ist ein Grunddienst der Gesellschaft, den wir alle sehr schätzen.
Anastratin.de: Das mag in Nitramien so sein. Jedoch wird sich wohl auch die intergalaktische Papierpost verteuern und künftig zudem langsamer sein.
Luisa Amiratu: Was gut ist, hat auch seinen Preis. Das haben aber manche Leute vergessen: Von nichts kommt nichts. Irgendwie habe ich so das Gefühl, dass es gewisse Leute gibt, die erst dann zufrieden sind mit ihrem Einsparwahn, wenn die gesamte öffentliche Infrastruktur zusammengebrochen ist. Was dabei dann herauskommt, kann man ja am intergalaktischen öffentlichen Verkehrswesen sehen. Umgekehrt schmeißt man dann haufenweise Gelder zum Fenster raus für irgendwelchen Digitalisierungswahnsinn, der ein Feuerwerk von Funken ist, die nichts bringen. Effekthascherei um der Effekthascherei willen.
Anastratin.de: Mögen Sie Digitalisierung nicht?
Luisa Amiratu: Ich habe generell nichts gegen Technik, solange sie funktioniert und zweckmäßig einsetzt wird. Das sollte dann aber eine Selbstverständlichkeit sein und nichts, mit dem man sich absonderlich brüstet. Manchmal gerieren sich selbsternannte Experten wie Kleinkinder, die stolz darauf sind, dass sie Wasser auf eine Sandburg gekippt haben. Symbolpolitik ist das meistens. Solidarität und Zwischenmenschlichkeit können Sie mit Technik übrigens nicht ersetzen und soziale Probleme lösen Sie damit auch nicht. Man kann damit nicht auf magische Weise Probleme wegzaubern – aber genau das suggerieren viele Technik-Fans. Die echten Probleme bleiben dann aber oft ungelöst liegen. Das ist einer der Gründe, warum die nitramischen Truppen teilweise so viele Zusatzeinsätze im Ausland fahren müssen und trotzdem haben wir immer weniger Geld zur Verfügung. Wir werden in Nitramien künftig mehr sparen müssen. Im Ausland wird alles immer teurer und wir bekommen für unsere Produkte und Arbeit immer weniger Gegenleistungen.
Anastratin.de: Wurde der nitramische Denar nicht zuletzt aufgewertet?
Luisa Amiratu: Das ist kein innernitramisches Problem – solange die Kosten im Ausland immer weiter steigen und die galaktische Währung, mit der nitramische Dienstleistungen bezahlt werden, immer weiter an Wert verliert, bleibt immer weniger übrig. Die Kosten für den Gesundheitsbereich sind in den vergangenen Jahrzehnten beispielsweise um 50% gestiegen. Selbst wenn wir alle unsere Produkte zu Bestpreisen verkaufen könnten, könnten wir das kaum ausgleichen.
Anastratin.de: Werden die Bürger Südnindas und Ventadorns das an Weihnachten merken?
Luisa Amiratu: Nein, unsere Feste gestalten wir weitgehend mit eigenen Mitteln und unser heimischer Verbrauch wird davon kaum tangiert. Einige Luxusprodukte führen unsere Läden nicht mehr, aber die sind meiner Ansicht nach auch verzichtbar – solange wir genug Rohstoffe haben, damit unsere heimischen Produktionsstätten unseren Bedarf decken – und das können sie problemlos. Ich finde es sogar besser, wenn wir unseren Bedarf selbst produzieren. Wir importieren zuviel.
Anastratin.de: Wie weit steht es mit den Vorbereitungen für das Fest?
Luisa Amiratu: Unsere Vorbereitungen sind noch lange nicht abgeschlossen, aber wir liegen im Zeitplan. Wenn die nitramischen Missionen im Foriensis-Sektor in die Winterpause gehen, bekomme ich hoffentlich endlich die zusätzlichen Truppen gestellt, um hier noch ein paar größere Aufräumarbeiten vorzunehmen vor dem Fest. Denn wir erwarten ja hohen Besuch aus Veamoris und viele Stadtteile von Ventadorn, aber auch Milony Island, müssen noch festlich geschmückt werden. Den großen Weihnachtsbaum für Juletree haben wir zum Glück schon besorgt und eigentlich auch sonst alles, was wir für die Festlichkeiten benötigen.
Anastratin.de: Sind die Bewohner auch schon in Weihnachtsstimmung?
Luisa Amiratu: Hier in Südninda ist noch Advent – der übrigens nach St. Martin begonnen hat, wie das hier so üblich ist, nach traditioneller Zählung haben wir also den 5. Advent, nach intergalaktischer Zählung ist es der dritte Advent. Aber Advent ist es immer noch. In Weihnachtsstimmung sind wir dann an Weihnachten. Ich bin auch froh, dass ich nur an St. Martin eine Rede halten muss und nicht an Weihnachten – insofern kann ich die Festtage dann etwas ruhiger angehen. Und da dies mein 96. Dienstjahr ist, habe ich auch ein wenig Routine inzwischen. Ein ganz tolles Geschenk war übrigens der zauberhafte Adventskalender, den wir aus Veamoris geschickt bekommen haben. Es ist jeden Tag ein tolles Event, wenn das tägliche Päckchen geöffnet wird – und wir haben die Päckchen möglichst gleichmäßig per Los aufgeteilt. Wir haben noch einen kleineren Adventskalender in Juletree für die dortige Bevölkerung aufgebaut und nach Hajoida haben wir einen Adventskalender gebracht, der dort täglich für viel Freude sorgt, wie man uns berichtet. Auch Kaiserin Gisela haben wir einen gigantischen Adventskalender ins Exil geschickt, der größer ist als jeder Kalender, den es sonst jemals gab. Eigentlich würden wir ja allen unseren Freunden und Verbündeten gerne solche Freude bereiten, aber das überschreitet leider ein wenig unsere Möglichkeiten. Immerhin, wir tun, was wir können. Ein wenig im Rückstand sind wir teilweise mit den Adventsdekorationen in den kleineren Ortschaften – für dort muss ich auch noch bei der Organisation der Weihnachtsgeschenke helfen.
Anastratin.de: Dann wollen wir Sie mal nicht länger abhalten, Frau Vizekönigin. Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg!
Luisa Amiratu: Vielen lieben Dank – das wünsche ich Ihnen auch!
Das Interview führte Nils Kawomba.
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