Seit längerer Zeit plane ich einen ganz großen Buntstifte-Test. Dafür habe ich eine ungeheure Anzahl von Buntstiften gesammelt, Farben und Paletten verglichen und Regenbögen gezeichnet. Nun folgten viele, viele Apfelbilder…
Spätestens bei den Regenbögen habe ich gemerkt, dass es wohl nicht ausreichet, ein paar Farben übereinander zu malen, um deren Qualität festzustellen. Letztlich lag es vielleicht sogar am „magischen“ Verblendstift von Derwent, dass sich damit so gut wie alle Buntstifte verblenden ließen, selbst solche, wo das eigentlich gar nicht so gut gehen sollte. (Wir merken uns: Derwents Blenderstifte verfügen über Zauberkräfte.)
Daher brauchte es ein etwas anspruchsvolleres Motiv, um die Qualitäten der Stifte zu prüfen. Wenn man fünf Äpfelbäume besitzt, liegt es nicht ganz fern, Äpfel zu zeichnen. Glücklicherweise hatte gerade einen Apfel da, einen Braeburn, der die Zeichenaktion dann irgendwann aber doch nicht überlebte, worauf ich alle folgenden Bilder aus dem Kopf malen musste. Das ist insofern ein Novum, als ich sonst vermeide, das gleiche Motiv nacheinander mehrmals zu malen.
Als Papier kam bei allen Bildern Canson Graduate Mixed Media Papier 220g/m² in Beige zum Einsatz. Die Tönung ist sinnvoll, wenn man testen will, ob das Weiß der jeweiligen Buntstifte auch gut deckt. Ich weiß, dass viele Buntstiftkünstler raues Zeichenpapier meiden, aber eine gute Struktur, finde ich, gibt einer Zeichnung auch einen gewissen Reiz, auch wenn es dann natürlich nicht fotorealistisch ist. Aber wenn es ohnehin wie ein Fotodruck aussehen soll, kann man ja ansonsten gleich Fotos machen und ausdrucken. 😛
Faber-Castell Black Edition
Die ersten Stifte, die ich testete, waren die Black Edition Buntstifte von Faber-Castell. Die waren mir vorab schon aufgefallen, weil sie zwar einen schlechten Ruf haben bei Eltern, deren Kinder mit den brechenden Schäften Schiffbruch erlitten. Allerdings, pfleglich behandelt, zeichnen sie meines Erachtens außerordentlich gut für das Preisleistungsverhältnis. Leider besitze ich nur 36 Farben, von denen der Großteil wegen extremer Quitschigkeit für das Apfelbild ausschied, mit den verbleibenden Stiften ließ sich aber doch ein recht ansehnliches Bild erschaffen. Mit dem Derwent Blenderstift ließen sich die Farben auch außerordentlich gut verblenden (also mischen).
Faber-Castell Polychromos
Nach den billigen Stiften von Faber-Castell mussten dann die Polychromos heran. Hier besitze ich die luxuriöse Ausgabe aller 120 Farben, womit sich die Äpfel wesentlich stressfreier zeichnen ließen. Zudem fallen doch auch qualitative Unterschiede auf: So gut im Auftrag und in der Farbkraft wie auch vor allem beim nahezu endlos möglichen Schichten erkennt man schon, wer hier den Branchenstandard setzt. Es sind eindeutig die Polychromos.
Caran d’Ache Luminance
Als Drittes waren dann die hochpreisigen Luminance Stifte von Caran d’Ache an der Reihe. Hiermit tat ich mich allerdings etwas schwer, weil ich nur 40 Farben (+ 20 Portraitfarben) besitze, das wirkt dann schon wie eine Einschränkung, wenn man gerade eben noch alle 120 Polychromos hatte. Außerdem sind die Luminance-Farben extrem cremig, fast schon wie Ölkreide, sodass sich die Textur der Äpfel deutlich schwieriger gestaltete, weil die Farben ineinander verschmierten und sehr feine Details schwieriger waren. Außerdem scheint der Blenderstift der Luminance-Stifte nicht an die Qualitäten des Derwent-Stifts heranzukommen. Das hat mich etwas verwundert, weil Caran d’Ache diesen Blender ja extra für die eigenen Stifte empfiehlt. Viel besser ließen sich die Farben selbst direkt ineinander verblenden als mit dem Blenderstift von Caran d’Ache. Das Endergebnis allerdings hat die größte Strahlkraft von allen Apfelbildern. (Das kommt beim Foto nicht ganz heraus.)
Castle Arts Goldstandard
Das vierte Bild wurde dann mit den Castle Arts Goldstandard Buntstiften gezeichnet. Wie schon seinerzeit beim Jinxx-Porträt bewiesen die Stifte, dass preisgünstig nicht immer schlecht sein muss, denn sie verblendeten sehr gut. Nur beim Schichten merkte man, dass irgendwann Schluss ist, was aber nicht so tragisch ist, weil die Goldstandard-Stifte im Set mit allen 120 Farben geliefert werden. Insofern hat man genug Auswahl, selbst dann, wenn die Mine des Slate-Gray-Stiftes zersplittert ist und man diese Farbe künftig nicht mehr benutzen kann, ohne das ganze Set neu zu kaufen.
Derwent Coloursoft
Als Fünftes war Derwent an der Reihe, das war nur gerecht, wo doch die ganze Zeit schon Derwents Blenderstift im Einsatz war. Von den Derwent Coloursoft Buntstiften besitze ich allerdings nur 24 Stifte und darunter ist nur ein einziges Rot (in der ansonsten sinnig gewählten Palette). Daher mussten die Farben ihre Verblendkünste unter Beweis stellen, denn die dunkelroten Nuancen mussten dann eben mit Braun und Schwarz zusammengemischt werden. Das Ergebnis kann sich dennoch sehen lassen. Da die Stifte allerdings wirklich sehr weich sind, waren damit nicht so viele Details möglich wie mit den Polychromos-Stiften. Man müsste wohl noch hilfsweise härtere Stifte aus dem Derwent-Sortiment dazunehmen, wenn man das ausgleichen will.
Shuttle Art Buntstifte
Shuttle Art Buntstifte gehören in die unterste Preiskategorie, machen beim Zeichnen aber eine erstaunlich gute Figur. Weil ich von Braeburn-Äpfeln erst mal genug hatte, habe ich diesmal Jonagold-Äpfel als Vorlage genommen, die etwas mehr ins Gelb gehen.
Obwohl sich mit den Stiften recht preisgünstig eine riesige Palette von Farben zusammenstellen lässt, habe ich erst mal nur einige wenige Farben aus dem Botanic-Set verwendet. Die Minen der Stifte sind relativ hart, aber fühlen sich beim Auftragen weich genug an. Das hat mir insgesamt sehr gefallen, denn allzu weiche Stifte finde ich eher schwierig im Handling. Mit dem Derwent Verblendstift ließen sie sich relativ gut verblenden, allerdings nicht so viel schichten wie teure Stifte – irgendwann war dann Schluss.
Winsor & Newton Colour Pencils
Die nächsten Äpfel waren mit Winsor & Newton Buntstiften dran. Obwohl ich Winsor & Newton bei Aquarell und Gouachefarben sehr schätze, war ich seinerzeit schon mit den Aquarellstiften nicht so ganz zufrieden gewesen, diese Unzufriedenheit wiederholte sich bei den Buntstiften. Die Buntstifte tragen recht kreidig auf und lassen sich auch mit dem Derwent Verblendstift nur unsauber verblenden, dadurch fransen Kanten aus. Auch beim Schichten war allzu schnell Schluss, was insofern problematisch ist, als die in der von Winsor & Newton gewählten 48er Farbpalette zwar überproportional viele Rot- und Violett-Töne vorhanden sind, aber kaum Farben zum Abdunkeln (glücklicherweise enthielt das Motiv kaum Grün, denn hier besteht auch massiver Mangel). Rottöne ließen sich generell deutlich besser verblenden als die anderen Farben.
Insgesamt brauchte ich für das Apfelmotiv mit den Winsor & Newton Stiften überdurchschnittlich lange, um ein zufriedenstellendes Ergebnis zu erreichen. Gefühlt ließ sich sogar mit den viel billigeren Shuttle Art Stiften sehr viel besser malen, sodass ich die Winsor & Newton Stifte nicht empfehlen kann.
Prismacolor Premier
Die Buntstifte von Prismacolor sind bei Influencern auf Youtube und Instagram sehr beliebt – nicht ganz umsonst, wie ich festgestellt habe. Denn die sehr weichen Prismacolor Premier Stifte scheinen so eine Art „Autoblending“-Feature eingebaut zu haben, womit das Verblenden quasi schon beim Malen geschieht. (Problematisch dürfte sein, wenn man das nicht möchte.) Die drei Test-Äpfel wurden so in Windeseile gezeichnet und das Ergebnis ist trotzdem eines der besten im Test.
Tombow Irojiten
Die Irojiten-Buntstifte von Tombow kommen interessanterweise in Buchform daher. Die Farben sind je nach Anmutung in Bänden zusammengefasst. Die Stifte selbst sind recht hart, lassen sich aber auch verblenden. Etwas absonderlich ist allerdings, dass es im gesamten Sortiment kein Weiß gibt – nur Pastelltöne. Damit lassen sich die Glanzlichter der Äpfel leider nicht vernünftig herausarbeiten…
Caran d’Ache Pablo
Caran d’Ache hat neben den hochpreisigen Luminance-Stiften noch eine zweite professionelle Serie im Angebot – die Pablo-Stifte. Diese sind wesentlich härter, lassen sich daher auch nicht so gut verblenden. Dafür gelingen damit Details deutlich besser. Am besten fährt man wohl, wenn man die Pablo-Stifte hauptsächlich für Details benutzt.
Derwent Lightfast
Die Lightfast-Buntstifte von Derwent zählen zu den besten des englischen Stifteherstellers – und sie kristallisierten sich auch als die besten in unserem Test heraus, da sie nicht ganz so weich wie die Caran d’Ache Luminance Stifte sind und somit besser für Details geeignet. Die Verarbeitung der Lightfast-Stifte ist sehr hochwertig, sie lassen sich ohne großen Druck auftragen und sehr gut verblenden und schichten.
Lieberge Buntstifte
Lieberge war uns bislang nur als Hersteller von Pinseln bekannt – und die Pinsel waren sehr gut. Die Buntstifte von Lieberge sind dagegen wohl eher im unteren Segment zu verorten, sowohl was den Preis, aber auch, was die Verarbeitung angeht. Leider strömen die Stifte einen chemischen Geruch aus, einer der Stifte war auch verbogen. Was für die Stifte spricht ist, dass sie relativ weich im Auftrag sind und sich zumindest mit dem Blenderstift von Derwent sehr gut verblenden lassen.
Allerdings decken die Lieberge-Stifte nur mäßig, was man beim Apfelbild allerdings nicht sieht (wohl aber, wenn man damit auf schwarzem Papier zeichnet). Für Gelegenheitskünstler oder für Ausmalbücher dürften die Stifte aber taugen.