„Noppensteine kann man nie genug haben“ – lautet der bekannte Werbespruch des Flörsheimer Klembo-Produzenten Bluebrixx. Für Klemmbausteine mag das stimmen, aber wie viele verschiedene Buntstifte braucht eigentlich ein Buntstifte-Set?
Vielfalt erzeugt in aller Regel Staunen – und wenn man vor Zeugen ein großes Buntstiftset entfaltet, das ein für sie sonst ungeahnt breites Farbspektrum eröffnet, erzeugt das bei vielen Mitmenschen große Ehrfurcht. Zudem bietet mehr Auswahl auch immer mehr Möglichkeiten. Gilt also: Je mehr, desto besser? Die Antwort fällt etwas komplexer aus:
Ja, es gibt zwar Buntstifthersteller, die Stiftesets mit grandiosen 180-250 Buntstiften im Angebot haben – doch das ist in der Regel eindeutig zu viel. Ebenso unpassend ist im umgekehrten Fall fast immer ein Set mit nur 12 Stiften, sofern es sich nicht speziell um Spezialanwendungen wie Metallic-Stifte, Rötelfarben oder Graustufen, also Skizziersets, handelt. Ansonsten mögen 12 Buntstifte für ein Schulmäppchen reichen, doch ein Künstler, der von jeder Regenbogenfarbe nur ein bis zwei Farbtöne besitzt, macht sich das Leben unnötig schwer – zumindest bei Buntstiften.
Ansonsten kann man die Frage, wie viele Buntstifte man benötigt, um mit einem Set vernünftig zeichnen oder malen zu können, nicht ganz eindeutig beantworten: Der wichtigste Faktor ist sicher immer der persönliche Zeichenskill und danach die Brauchbarkeit des Materials: Es hängt einerseits von der Verblendbarkeit und Schichtbarkeit der Farben ab.
Kann man die Farben sehr gut mischen, wie zum Beispiel bei Prismacolor Premier, dann reichen vielleicht auch 36 Farben – ansonsten müsste man wohl mehr ansetzen, zumindest, wenn man universelle Motive damit gestalten will. Wenn man nämlich nur Portrait- oder Botanikmotive zeichnen und malen will, ist eine gut abgestimmte Palette schon mit 36 Farben ausreichend, wenn man die passenden Schraffur- und Verblendtechniken einsetzt.
Somit ist der dritte Faktor die gewählte Palette. Bei 36 oder nur 24 Farben werden bestimmt wichtige Farbtöne fehlen, die man dann aus Einzelstiften per Verblendung zusammenmischen muss. Das wird man, wenn es sich nicht um sehr weiche und gut vermalbare Stifte handelt, später aber noch sehen – insofern kommt es auch auf den gewünschten Stil der Bilder an. Wenn man „fotorealistische“ Zeichnungen anstrebt, sind mehr unterschiedliche Pigmente sinnvoll, ansonsten kommt man auch mit weniger aus.
Wenn die Stifte sehr hart und damit weniger gut verblendbar sind, braucht man tendenziell sehr viele Stifte, also über hundert, um realistisch zu wirken, das empfiehlt sich beispielsweise bei den Pablo-Buntstiften von Caran d’Ache oder bei den Prismacolor Verithin. Deshalb gibt es von härteren Stiftsorten im Sortiment der meisten Hersteller dann auch mehr als 100 Farben.
Die Universalstifte Polychromos von Faber-Castell haben insgesamt 120 Farben, womit man sicher rundum glücklich ist. Wenn die Stifte so gut verblendbar und schichtbar sind wie die Polychromos, reichen meiner Erfahrung nach aber auch schon etwa 72 Farben, um das Spektrum abzudecken, mehr ist dann nur Luxus. Mit nur 60 Stiften, wie beim 60er-Set der Polychromos fehlen einige speziellere Farben wie Pastelltöne, also etwa 12 Stifte, die man aber auch einzelnen nachordern könnte.
Sehr weiche Stifte, wie die Luminance von Caran d’Ache oder die Lightfast von Derwent sind aber eigentlich schon mit 70 Stiften recht vollständig – zumal, wenn der Hersteller die gewählte Farbpalette des Sets sinnig aufteilt. Am besten wählt man die Stifte dann passend zu den persönlichen Bedürfnissen an Materialbeschaffenheit und Farbpalette aus.
Die Antwort lautet also: Bei guten Buntstiften kommt man mit einem Set von 72 gut verblendbaren Farben sehr gut aus. Nur sehr harte Stifte brauchen mehr, weil man hier die Farben nicht so gut verblenden kann. Sehr viel weniger verschiedene Farben bräuchte man übrigens bei Aquarellstiften, weil sich diese – anders als wachs- und ölbasierte Buntstifte – noch sehr viel einfacher vermischen lassen, indem man sie einfach wasservermalt. Bei Aquarellstiften wäre man wohl schon mit 36 Farben glücklich.
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